Brown Sandra
von den drei Männern nun sein Vater ist?«
»Die Leute, die von der Vergewaltigung wissen, werden den Mund halten. Außerdem – selbst die wissen ja nicht, daß Graham an diesem Abend gezeugt wurde.«
»Deine Feinde sind wichtige Leute hier in der Stadt – der Sheriff selbst und die Patchetts. Wenn die von Graham erfahren, werden sie zwei und zwei zusammenzählen …«
»Und dann was? Die Vergewaltigung zugeben? Wohl kaum …«
Cathy sah ihre junge Freundin eindringlich an. »Jade, ich habe mich nie in dein Privatleben gemischt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du vor Jahren Hank Arnett geheiratet. Aber ich habe mir nie angemaßt, dir zu sagen, was du tun oder lassen sollst.«
»Und warum habe ich jetzt das Gefühl, daß du genau das tust?«
Die ältere Frau ignorierte die spitze Bemerkung und flüsterte Jade zu: »Laß es.«
»Laß was?«
»Jade, halt mich nicht für dumm. Du hast Palmetto nicht zufällig für dein Vorhaben ausgesucht. Du bist an diesen Ort voller unliebsamer Erinnerungen zurückgekehrt, weil du Vergeltung willst.«
Sie drückte Jades Hände. »Das, was du bisher erreicht hast, ist schon Vergeltung genug. Du hast die Vergangenheit meisterlich bewältigt. Du hast Graham, der dich über alles liebt. Was willst du noch? Laß es …«
»Das kann ich nicht, Cathy.« Sie versuchte nicht einmal Cathys Behauptung zu widerlegen. »Auf diesen Augenblick habe ich jahrelang gewartet. Ich werde jetzt keinen Rückzieher machen.«
»Ich habe Angst um dich. Diese Sache frißt dich auf. Du könntest selber dabei zerstört werden – bevor du sie zerstören kannst.«
»Ich will sie gar nicht zerstören. Wenn ich das wollte, hätte ich sie vor fünfzehn Jahren töten können. Ich habe damals mit dem Gedanken gespielt.« Sie schüttelte den Kopf.
»Aber sie zu töten, wäre zu einfach gewesen. Nein, ich will, daß ihnen etwas genommen wird, das ihnen viel wert ist– so, wie mir meine Unschuld genommen wurde und der Mann, den ich liebte. Ich will, daß sie all ihre Träume verlieren, so, wie ich meine verloren habe.
Und mehr als alles andere will ich Vergeltung für Garys Tod. Sie haben ihn umgebracht, Cathy, als hätten sie mit der Waffe auf seinen Kopf gezielt und abgedrückt. Ich werde nicht aufhören, bis sie für seinen Tod bezahlt haben.«
Ihr Ton wurde weicher, wehmütiger. »Er war so ein Idealist. Wir haben davon geträumt, die Patchetts von ihrem Thron zu stoßen. Ihre Tyrannei zu beenden. Die Patchetts suchen sich Opfer, die arm sind, machtlos, ohne Einfluß, genau wie ich vor fünfzehn Jahren. Sie kennen kein Gesetz und kein Gewissen, und sie werden diesen Menschen hier so lange weh tun und sie unterdrücken, bis ihnen jemand Einhalt gebietet.« Ihre Miene wurde entschlossen. »Ich habe fünfzehn Jahre lang auf diesen Moment hingearbeitet. Ich werde ihn jetzt nicht verstreichen lassen.«
Cathy schwieg einen Augenblick, dann sah sie mit flehendem Blick zu Jade auf. »Erzähl Graham, was passiert ist. Wenn diese Männer so rücksichtslos sind, wie du sagst, werden sie zurückschlagen. Sie könnten versuchen, an ihn heranzukommen. Sag es ihm, Jade, bevor es ein anderer tut.«
Jade erkannte, daß Cathy recht hatte, doch sie erinnerte sich unwillkürlich an Velta, die ihr die Schuld am Selbstmord ihres Vaters zugeschoben hatte. Wenn sie Graham von der Vergewaltigung erzählte, konnte es sein, daß er seine Existenz als Schande begriff. Sie wollte nicht, daß er sich sein Leben lang Schuldgefühle machte.
»Nein, Cathy. Er darf es niemals erfahren.«
***
Die Entscheidung, ob Graham allein mit dem Fahrrad zum Baugelände durfte, wurde aufgeschoben, da Dillon die Stadt für eine Weile verließ. Er mußte sich mit mehreren Subunternehmern treffen.
»Mr. Burke hat mich gebeten, Loner zu versorgen, solange er nicht da ist«, sagte Jade, als sie abends heimkam, zu Graham. »Die Sache mit dem Fahrrad ist also erst mal gestorben. Es gibt keinen Grund für dich rauszufahren. Wir reden noch mal drüber, wenn Mr. Burke wieder zurück ist.«
Graham war enttäuscht. »Und wann kommt er zurück? In hundert Jahren?«
»In zwei Wochen, hat er gesagt.«
»In hundert Jahren …«, maulte Graham und schlich da. von. Jade war innerlich beunruhigt. Cathys Warnung war nicht aus der Luft gegriffen. Sie war derart in das Projekt vertieft gewesen, daß sie die Möglichkeit eines Angriffs durch die Patchetts und Hutch aus den Augen verloren hatte. Ihre Gegner verhielten sich seit der Bürgerversammlung ungewöhnlich
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