Brown Sandra
meinem Zimmer, falls du mich brauchst.«
Als auch sie im Haus war, fragte Dillon: »Wollen Sie, daß ich mit Graham rede?«
Jade wandte sich abrupt zu ihm um und lenkte ihre Wut in seine Richtung, weil er ihr ein willkommenes Ventil bot.
»Nein, danke«, erwiderte sie schroff. »Sie haben heute schon genug mitgekriegt. Ich will, daß Sie vergessen, was Sie gehört haben.«
Er griff sie bei den Schultern und zog sie an sich. »Keine Chance.« Nach diesem kurzen, aber eindeutigen Statement ließ er sie ebenso plötzlich los, wie er sie geschnappt hatte. Als er schon im Begriff war zu gehen, sagte er über die Schulter: »Sie wissen, wo Sie mich finden, falls ich irgend etwas für Graham tun kann. Gute Nacht.«
Er brauchte diesen ganzen Mist nicht.
Das dachte Dillon, als er seinen alten Pickup vor dem Trailer zum Halten brachte und den Motor abstellte. Loner war offensichtlich wieder mal auf Streifzug. Er kam nicht, um ihn zu begrüßen. Soll mir recht sein, dachte Dillon, als er aufschloß. Er war nicht in der Stimmung für Gesellschaft.
Im Trailer war es heiß und stickig wie in einem Schnellkochtopf. Er drehte die Klimaanlage auf, stellte sich in den kalten Windzug, zog das Hemd aus und knöpfte die Jeans auf. Dann lehnte er sich an die Wand über der Luftzufuhr und ließ die Stirn auf die Unterarme sinken. Der Luftzug trocknete seine verschwitzte Haut und wirbelte die Haare auf seiner Brust durcheinander.
Er konnte Jade beim besten Willen nicht verstehen. Jedesmal wenn er glaubte, ihr nähergekommen zu sein, geschah etwas völlig Unerwartetes – wie heute abend. Er wäre nie darauf gekommen, daß nach dem Abendessen eine Frau in Jades Haus auftauchen könnte, um Jades Sohn für ihren sterbenden Ehemann zu verlangen.
Sie hatte den Namen Hutch erwähnt. In der Zeitung hatte ein Bericht über Palmettos Sheriff, Hutch Jolly, gestanden Und so verrückt konnte kein Zufall sein, daß ausgerechnet zwei Männer aus Palmetto mit dem Namen Hutch im Krankenhaus in Savannah lagen und auf eine Nierentransplantation warteten. Also mußte Hutch Jolly Grahams Vater sein. Offensichtlich wußte Graham nichts davon, und Jade wollte es auch dabei belassen.
Hatte Jade von Jollys Krankheit gewußt, bevor sie zurückgekommen war? Hängte sie Graham wie eine Mohrrübe vor die Nase des ernsthaft erkrankten Mannes? Wenn Jolly Grahams Vater war, was hatten dann die Patchetts mit der ganzen Sache zu tun?
Allmählich beschlich ihn das Gefühl, daß bei Jade Sperry nichts normal war.
Sie brauchte Hilfe, soviel stand fest. Doch wenn sie welche angeboten bekam, warf sie sich in eine eiserne Rüstung und ließ nichts und niemanden an sich heran. Wie verzweifelt mußte man sein, um jede Hilfe abzulehnen, wenn man sie doch so dringend brauchte?
Dillon fuhr sich durchs Haar. »Jesus.«
Er verstand Jades Sturheit, weil er sie an sich selbst beobachtet hatte. Bei Debras und Charlies Beerdigung hatte er sich den Newberrys und all ihren Freunden gegenüber geradezu gemein verhalten. Er hatte jede Beileidsbekundung und jede Hilfe von sich gewiesen, weil er die Nähe der Menschen, die Debra gekannt und geliebt hatten, nicht ertrug. Er hatte sie ausgeschlossen, im Glauben, nur Einsamkeit könnte seinen Schmerz betäuben.
Erst nachdem er diesen Job angenommen hatte, hatte er wieder Kontakt zu den Newberrys aufgenommen. Er hatte ihnen einen Brief geschrieben, in dem er sich dafür entschuldigte, daß er sieben Jahre lang nichts von sich hatte hören lassen. Er war zum erstenmal in der Lage gewesen, Debras Namen zu schreiben, ohne daß ihm dabei ein Messer ins Herz stach. Die Newberrys hatten geantwortet, ihm geschrieben, wie sehr sie sich freuten, von ihm zu hören, und hatten ihm angeboten, sie jederzeit in Atlanta zu besuchen.
Erst jetzt war es ihm möglich, sich an die lebende Debra zu erinnern– an ihre Liebe und ihr Lachen – und nicht immer nur an das Bild von ihr, tot mit Charlie auf dem Bett. Trotz all seiner Anstrengungen, im Kummer zu versinken, schienen die Wunden zu heilen.
Er regulierte den Thermostat am Fenster und ging zu seinem Bett. Er streifte die Stiefel ab, zog die Jeans und die Unterhose aus und schlüpfte nackt zwischen die Laken. Dann verschränkte er die Arme unter dem Kopf und starrte an die Decke. Jade wies jede Hilfe zurück, weil sie ein Problem hatte, mit dem sie nicht konfrontiert werden wollte – genau wie er vor sieben Jahren.
»Aber was kann es sein?« Dillon wurde erst bewußt, daß er laut nachgedacht hatte,
Weitere Kostenlose Bücher