Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
Vom Netzwerk:
eine ganze Generation beanspruchen. Wenn wir vom lebenslangen Lernen sprechen, dann muss das beim Schulpersonal beginnen. Mein konkreter Vorschlag: Die Lehrerinnen und Lehrer sollten in regelmäßigen Abständen wieder für ein Fortbildungssemester an die Hochschule zurückkehren können. Die Praktiker könnten sich so mit neuem methodischem Know-how vertraut machen, die Studierenden wiederum könnten von deren Erfahrungen aus dem Alltag profitieren. Es wertet zudem den Lehrerberuf auf, wenn der Dienstherr Staat die Weiterqualifikation so ernst nimmt.
    GENSCHER
    Das gilt für das Methodische, es gilt aber auch für die Entwicklung des Fachwissens in einer sich immer schneller verändernden Wissenschaftswelt. Besonders deutlich wird das natürlich bei den naturwissenschaftlichen Fächern. Wir als Gesellschaft müssen uns einig darüber werden, wie wir die Aufgabe von Lehrern bewerten und was sie uns wert ist – das drückt sich auch in der Bezahlung aus. Wir sind eine Gesellschaft mit großen Lebenschancen, der Lehrerberuf aber bietet nur wenige Aufstiegsmöglichkeiten. Das heißt, da leisten Leute während ihres ganzen Berufslebens eine außerordentlich wichtige Arbeit für die Zukunft unseres Landes und haben selbst keine großen Chancen voranzukommen. Das ist leider symptomatisch: Eines der reichsten Länder der Welt nutzt seinen Reichtum nicht, um das Bildungssystem stetig zu verbessern und so zukunftsfähig zu bleiben. Um Bildung als Bürgerrecht zu realisieren, müssen wir zu einer vollkommen neuen Prioritätensetzung kommen, auch in Bezug auf die Finanzmittel. Bildung muss ganz oben stehen, von der Organisation dieser Bildung ganz zu schweigen – damit meine ich die Gestaltung des Bund-Länder-Verhältnisses. Davon haben Sie bei Ihrer Bildungsverfassung nur am Rande gesprochen. Ich halte das sogenannte Kooperationsverbot, das die damalige CDU / CSU - und SPD -Koalition vor wenigen Jahren eingeführt hat, für einen echten Schildbürgerstreich: Dem Bund und den Ländern ist nun durch das Grundgesetz ausdrücklich verboten, gemeinsam Bildungsaufgaben zu finanzieren. Dieser Irrsinn muss beseitigt werden.
    LINDNER
    An Ihre Bemerkung zu den Aufstiegschancen will ich eine Forderung anschließen: Die Forschung zeigt, dass der Lernerfolg einer Klasse stark von der Leistung der Lehrperson abhängt. Sollten nicht besonders erfolgreiche Lehrerinnen und Lehrer einen Gehaltsbonus erhalten?
    An der Position der FDP zum Kooperationsverbot habe ich mir erst 2011 auf einem Bundesparteitag die Zähne ausgebissen. Es gibt eine Reihe von Bildungspolitikern insbesondere der Länderebene, die fürchten inhaltliche Vorgaben des Bundes. Die Kultushoheit der Länder wird deshalb vehement gegen den »goldenen Zügel« des Bundes verteidigt. Die Befürchtungen kann ich nachvollziehen. Das Problem ist nur: Die Länder müssen aufgrund der Schuldenbremse ihre Etats bis zum Ende des Jahrzehnts ausgleichen. Sie könnten dann schnell gezwungen sein, ausgerechnet bei der Bildung zu sparen. Wenn wir nichts ändern, würde die Schuldenbremse so zum Strick, mit dem wir unsere Zukunft aufhängen. Die Lösung liegt für mich im Verfassungsrecht – nicht bei der Lockerung der Schuldenbremse, sondern der Aufhebung des Kooperationsverbots. Man muss sich vor Augen führen, dass die Schweiz 2006 eine Kooperationspflicht zwischen Bund und Kantonen beschlossen hat – also die genau entgegengesetzte Entwicklung im eidgenössischen Föderalismus.
    GENSCHER
    Ja, der Bund muss endlich seine gesamtstaatliche Verantwortung auch finanziell wahrnehmen können – besonders wichtig für die weniger finanzstarken Bundesländer. Die Kinder in diesen Ländern dürfen nicht bestraft werden, nur weil ein paar Kultuspolitiker auf Landesebene ihren Eitelkeiten frönen wollen.
    LINDNER
    Das betrifft insbesondere den Bereich der Wissenschaft. Da gibt es die paradoxe Situation, dass der Bund zwar zeitlich begrenzt Sonderforschungsbereiche finanzieren darf – also »Vorhaben« –, nicht aber »Einrichtungen«. Wenn die Projektförderung des Bundes ausläuft und die Länder keine eigenen Mittel einsetzen können, müssen exzellente Bereiche abgewickelt werden. Das ist in der Tat ein Schildbürgerstreich. Darüber hinaus gibt es bei der Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer oder der Förderung von behinderten Kindern in Regelschulen Aufgaben in den nächsten Jahren, die Länder und Kommunen kaum allein stemmen können. Deshalb wird der Gesamtstaat mit seinen

Weitere Kostenlose Bücher