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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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er.
    Sie hätte nicht heftiger reagieren können, wenn er sie geschlagen hätte. Sie erhob sich schon halb, dann fiel ihr ein, wo sie war und wer er war, und sie setzte sich wieder. Brunetti betrachtete sie und notierte sich im Geiste, was jetzt alles zu tun war: ihren Arzt finden und fragen, ob sie schon einmal Rohypnol verschrieben bekommen hatte; ihr Foto den Leuten zeigen, die mit Trevisan im Zug gewesen waren, um zu sehen, ob jemand sie erkannte; feststellen, was für Telefongespräche von ihrem geschäftlichen und privaten Anschluß aus geführt worden waren; ihre Personalien nebst Foto und Fingerabdrücken an Interpol weiterleiten; ihre Kreditkartenquittungen prüfen, ob sie schon einmal ein Auto gemietet hatte, folglich also fahren konnte. Kurz gesagt, alles das, was er sofort hätte machen müssen, als er erfuhr, wem die Brille gehörte.
    »Hatten Sie etwas mit den Videos zu tun?« fragte er noch einmal.
    »Davon wissen Sie?« fragte sie, und als sie merkte, wie überflüssig diese Frage war: »Wie haben Sie das herausbekommen?«
    »Meine Tochter hat eines gesehen. Trevisans Tochter hatte es ihr gegeben und gesagt, es könne vielleicht erklären, warum jemand ihren Vater hätte töten wollen.«
    »Wie alt ist Ihre Tochter?« fragte sie.
    »Vierzehn.«
    »Das tut mir leid.« Signora Ceroni blickte auf ihre Hände. »Es tut mir aufrichtig leid.«
    »Sie wissen, was auf den Videos ist?« fragte er.
    Sie nickte. »Ja, ich weiß es.«
    Er versuchte erst gar nicht, den Ekel aus seiner Stimme fernzuhalten. »Und Sie haben Trevisan beim Verkauf geholfen?«
    »Commissario«, sagte sie, indem sie aufstand, »ich möchte darüber nicht weitersprechen. Wenn Sie mich offiziell etwas zu fragen haben, können Sie das in der Questura tun, in Gegenwart meines Anwalts.«
    »Sie haben die Männer umgebracht, nicht wahr?« fragte er, noch bevor er richtig darüber nachgedacht hatte.
    »Bedaure, ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte sie. »Und wenn Sie jetzt keine weiteren Fragen haben, wünsche ich Ihnen einen guten Abend.«
    »Waren das Sie im Zug, die Frau mit der Pelzmütze?«
    Sie war schon auf dem Weg zur Tür, doch bei dieser Frage stockte sie und kam abrupt auf dem linken Fuß zum Stehen. Schnell gewann sie jedoch ihr Gleichgewicht und ihre Haltung wieder und ging weiter. Sie öffnete die Tür und hielt sie ihm auf. »Guten Abend, Commissario.«
    Er blieb an der Tür noch kurz vor ihr stehen, aber ihr Blick war fest und kühl. Er ging ohne ein weiteres Wort.
    Er trat aus dem Haus und entfernte sich sogleich, ohne sich noch einmal umzudrehen und dahin zurückzusehen, wo er ihre Fenster vermutete. Vielmehr ging er über die vor ihm liegende Brücke und wandte sich nach rechts in die erste calle. Dort blieb er stehen und wünschte sich, nicht zum erstenmal, ein Handy. Er strengte sein Gedächtnis an und wartete, bis der Straßenplan von dieser Gegend, den er wie jeder Venezianer im Kopf hatte, Gestalt annahm. Als es soweit war, wußte er, daß er bis zur zweiten calle weitergehen und sich dann nach links in eine schmale calle wenden mußte, die hinter ihrem Haus vorbeiführte, um dahin zu kommen, wohin er wollte: ans Ende der calle, in der sie wohnte, denn von dort aus hätte er ihre Haustür im Blick.
    Dort angekommen, lehnte er sich an eine Mauer und wartete eine Ewigkeit, bis sie aus dem Haus trat. Sie schaute beim Herauskommen in beide Richtungen, aber Brunetti stand gut versteckt im Schatten. Sie wandte sich nach rechts, und er folgte ihr, froh, daß er die braunen Schuhe mit den Gummisohlen anhatte, die seine Schritte dämpften. Die ihren waren dank der hohen Absätze so gut zu hören, daß er ihr folgen konnte, als hätte er sie ständig im Blick.
    Schon bald merkte er, daß sie entweder zum Bahnhof oder zum Piazzale Roma wollte, wobei sie sich immer an die kleineren calli und fern von den Vaporetti auf dem Canal Grande hielt. Auf dem Campo Santa Margherita wandte sie sich nach links zum Piazzale Roma und den Bussen, die zum Festland fuhren.
    Brunetti hielt soviel Abstand von ihr, wie er konnte, ohne sie aus den Ohren zu verlieren. Es war jetzt schon nach zehn, so daß nur noch sehr wenige Leute unterwegs waren und so gut wie keine anderen Geräusche das Klicken ihrer Absätze übertönten.
    Am Piazzale überraschte sie Brunetti damit, daß sie diesen überquerte, sich also von den Bushaltestellen entfernte. Drüben ging sie die Treppe hinauf und zum städtischen Parkhaus, wo sie durch den großen offenen

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