Brunetti 04 - Vendetta
USA, wo dasselbe mit ihnen geschieht. Dann werden sie verkauft.«
»Wo?«
»In Geschäften. Oder per Post. Da gibt es Versandlisten.«
»Wer hat diese Listen?«
»Die Verteiler.«
»Und wer sind die?«
»Ich kenne die Namen nicht. Die Originale gehen an Postfächer in Marseille und Los Angeles.«
»Wer dreht die Originale?«
»Jemand in Sarajewo. Ich glaube, er arbeitet für das serbische Militär, aber genau weiß ich das nicht.« »Wußte Ihr Mann, wer das ist?« Er sah sie zu einer Antwort ansetzen und fügte hinzu: »Die Wahrheit, Signora.«
»Ja, er wußte es.«
»Wessen Idee war es, diese Filme zu drehen?«
»Ich weiß es nicht. Ich denke mir, daß Carlo vielleicht einen gesehen hat. Er hatte eine Vorliebe für so etwas. Und ich denke mir, das hat ihn auf die Idee gebracht, sie zu vertreiben. Er vertrieb ja schon andere Sachen per Post und über Geschäfte in Deutschland.«
»Was für Sachen?«
»Zeitschriften.«
»Was für Zeitschriften?«
»Pornographische.«
»Signora, man kann pornographische Zeitschriften in dieser Stadt an jedem Zeitungskiosk kaufen. Welche Art Pornographie?«
Ihre Stimme war jetzt so leise, daß er sich vorbeugen mußte, um sie zu verstehen. »Kinder.« Sie sagte nichts weiter, nur dieses eine Wort.
Brunetti schwieg und wartete, daß sie fortfuhr.
»Carlo hat gesagt, daran sei nichts Ungesetzliches.«
Brunetti brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß sie das ernst meinte. »Wie ist Ihre Tochter an diesen Film gekommen?«
»Carlo bewahrte die Originale in seinem Arbeitszimmer auf. Er hat sich die neuen immer gern angesehen, bevor er sie weiterschickte.« Ihr Ton wurde jetzt deutlich mißbilligend, als sie sagte: »Ich nehme an, sie ist da hineingegangen und hat sich einen genommen. Das wäre nie passiert, wenn Carlo noch lebte.«
Brunetti wollte sich nicht erdreisten, eine Witwe in ihrer Trauer zu stören, und fragte statt dessen nur: »Wie viele solche Videos waren es?«
»Ach, das weiß ich nicht. Ein Dutzend, vielleicht auch zwanzig.«
»Alle gleich?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, was Sie mit ›alle gleich‹ meinen.«
»Videos, in denen Frauen vergewaltigt und ermordet werden.«
Sie bedachte ihn mit einem Blick voller Abscheu, daß er es wagte, von solch häßlichen Dingen zu reden. »Ich glaube, ja.«
»Glauben Sie es, oder wissen Sie es?«
»Ich denke, ich weiß es.«
»Wer war daran noch beteiligt?«
Ihre Antwort kam prompt: »Ich nicht.«
»Wer war außer Ihrem Mann und Ihrem Bruder noch daran beteiligt?«
»Ich glaube, dieser Mann in Padua.«
»Favero?«
»Ja.«
»Wer noch?«
»Bei den Bändern niemand, von dem ich wüßte.«
»Und bei dem anderen, bei den Prostituierten, wer noch?«
»Ich glaube, da war noch eine Frau. Ich weiß nicht, wer sie war, aber ich weiß, daß Carlo sich bei der Überführung neuer Mädchen ihrer Hilfe bedient hat.« Brunetti registrierte, in welch selbstverständlichem Ton sie seine Frage nach den Prostituierten beantwortete, den ›Mädchen‹, und wie beiläufig sie ihre volle Mitwisserschaft beim Mädchenhandel ihres Mannes zugab.
»Überführung von wo?«
»Von überall. Ich weiß es nicht.«
»Wer ist die Frau?«
»Das weiß ich nicht. Die beiden haben sehr wenig über sie gesprochen.«
»Was haben sie denn über sie gesprochen?«
»Nichts, gar nichts.«
»Was haben sie über die Frau gesprochen?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Ubaldo hat einmal etwas erwähnt, glaube ich, aber ich kann mich nicht erinnern.«
»Was hat er gesagt?«
»Er nannte sie ›die Slawin‹, aber was er damit meinte, weiß ich nicht.«
Für Brunetti war sonnenklar, was er gemeint hatte. »Ist sie Slawin?«
Sie senkte die Stimme und wandte den Blick ab, als sie antwortete: »Ich glaube, ja.«
»Wie heißt sie? Wo wohnt sie?«
Er sah sie diese Frage genau durchdenken, bevor sie antwortete, sah sie abwägen, welches Maß an Unannehmlichkeiten eine ehrliche Antwort ihr eintragen könnte. Er wandte sich abrupt von ihr ab, machte zwei Schritte von ihr fort, drehte sich dann ebenso abrupt wieder um, ging auf sie zu und baute sich vor ihr auf. »Wo wohnt sie?«
»Ich glaube, sie wohnt hier.«
»In Venedig?«
»Ja.« »Was wissen Sie noch?«
»Sie ist berufstätig.«
»Signora, die meisten Menschen sind berufstätig. Was macht sie?«
»Sie organisiert - das heißt, sie organisierte - Ubaldos und Carlos Flugreisen.«
»Signora Ceroni?« fragte Brunetti, sehr zu Signora Trevisans Überraschung.
»Ich
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