Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
verstehen.«
    »Und das erhoffen Sie sich davon, wenn Sie etwas mehr über seine Frau und Tochter erfahren?«
    »Ja.«
    Der Ober tauchte zu ihrer Linken auf und stellte zwei Tassen Espresso und eine silberne Zuckerschale zwischen sie auf den Tisch. Sie taten jeder zwei Löffel Zucker in die kleinen Tassen und rührten um, eine Zeremonie, die sie als natürliche Pause in ihrem Gespräch betrachteten.
    Nachdem die Ärztin getrunken und ihre Tasse wieder abgestellt hatte, sagte sie: »Signora Trevisan brachte ihre damals etwa vierzehnjährige Tochter vor gut einem Jahr in meine Praxis. Ich merkte gleich, daß es dem Mädchen unangenehm war, wenn ihre Mutter erfuhr, was ihr fehlte. Signora Trevisan wollte unbedingt mit ins Untersuchungszimmer kommen, aber das wußte ich zu verhindern.« Sie schnippte Asche von ihrer Zigarette, lächelte und fügte hinzu: »Nicht ohne Schwierigkeiten.« Sie trank noch einen Schluck Kaffee; Brunetti sagte nichts, damit sie weitersprach.
    »Das Mädchen litt an einem Genitalherpes. Ich stellte ihr die üblichen Fragen: Ob ihr Partner Verhütungsmittel benutze, ob sie noch andere Sexualpartner habe, wie lange sie die Symptome schon beobachte. Bei Herpes ist meist der erste Ausbruch der schlimmste, darum wollte ich wissen, ob es der erste war. Das konnte mir nämlich Auskunft über die Schwere der Infektion geben.« Sie hielt inne und drückte ihre Zigarette aus. Dann nahm sie den Aschenbecher und stellte ihn ohne Erklärung auf den Nebentisch.
    »War es der erste Ausbruch?«
    »Zuerst behauptete sie es, aber ich hatte den Eindruck, daß sie log. Ich nahm mir viel Zeit, um ihr zu erklären, warum ich es wissen mußte, daß ich ihr sonst nicht die richtigen Medikamente verschreiben konnte. Es dauerte ein Weilchen, aber schließlich erzählte sie mir, es sei der zweite Ausbruch, und der erste sei viel schlimmer gewesen.«
    »Warum ist sie da nicht gleich zu Ihnen gekommen?«
    »Sie waren im Urlaub, als es passierte, und sie hatte Angst, zu einem anderen Arzt zu gehen, der ihren Eltern erzählen könnte, was ihr fehlte.«
    »Wie schwer war die Erkrankung?«
    »Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen im Genitalbereich.«
    »Was hat sie getan?«
    »Sie hat ihrer Mutter von Bauchkrämpfen erzählt, und sich zwei Tage ins Bett gelegt.«
    »Und die Mutter?«
    »Was soll mit ihr sein?«
    »Hat sie es geglaubt?«
    »Anscheinend.«
    »Und diesmal?«
    »Diesmal hat sie ihrer Mutter gesagt, sie habe wieder schlimme Krämpfe und wolle zu mir. Ich bin seit etwa sieben Jahren ihre Ärztin, seit sie ein kleines Mädchen war.«
    »Warum ist die Mutter mitgekommen?«
    Die Ärztin blickte in ihre leere Tasse. »Signora Trevisan war immer eine übermäßig behütende Mutter. Als Francesca noch kleiner war, hat sie mich immer sofort gerufen, wenn das Kind auch nur die kleinsten Anzeichen von Fieber hatte. Manchmal im Winter bestellte sie mich mindestens zweimal im Monat zu einem Hausbesuch.«
    »Und, sind Sie hingegangen?«
    »Zu Beginn schon, da hatte ich gerade angefangen, aber dann lernte ich allmählich zu unterscheiden, wer nur anrief, wenn es etwas Ernstes war, und wer... nun, wer es auch in leichteren Fällen tat.«
    »Hat Signora Trevisan Sie auch bei eigenen Krankheiten ins Haus bestellt?«
    »Nein, nie. Sie ist immer in die Praxis gekommen.«
    »Weswegen?«
    »Das hat wohl nichts mit der Sache zu tun, Commissario«, sagte sie, zu seiner Überraschung wieder mit Nennung seines Titels. Er hakte nicht nach.
    »Was hat das Mädchen auf Ihre anderen Fragen geantwortet?«
    »Sie sagte, ihr Partner benutze keine Verhütungsmittel. Er finde, das störe seinen Genuß.« Sie verzog das Gesicht, als wäre sie nicht gerade glücklich darüber, eine so abgedroschene Schutzbehauptung zitieren zu müssen.
    »War es nur ein Partner?«
    »Ja, sie sagte, es gebe nur einen.«
    »Hat sie seinen Namen genannt?«
    »Danach habe ich nicht gefragt. Das geht mich nichts an.«
    »Haben Sie ihr geglaubt? Ich meine, daß es nur einen gibt?«
    »Ich sah keinen Grund, es nicht zu glauben. Wie ich schon sagte, ich kenne sie seit ihrer Kindheit. Soweit ich es beurteilen kann, schien sie mir die Wahrheit zu sagen.«
    »Und die Zeitschrift, die ihre Mutter nach Ihnen geworfen hat?« fragte Brunetti.
    Sie sah ihn überrascht an. »Ach, mein Schwesterchen. Wenn sie schon eine Geschichte erzählt, dann auch richtig, nicht?« Aber Brunetti konnte aus ihrem Ton keine wirkliche Verärgerung heraushören, nur die grollende Bewunderung, die einem der

Weitere Kostenlose Bücher