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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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fähig.«
    »Es kann einer lächeln und immer lächeln und doch ein Schurke sein«, sagte Paola in ihrem Zitierton, aber Brunetti war zu sehr mit anderem beschäftigt, um nachzufragen, woraus das war.
    »Er schien Roberte wirklich gern zu haben, sich fast als sein Beschützer zu fühlen.«
    Brunetti schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht überzeugt.«
    »Wer dann?« fragte Paola. »Leute bringen doch nicht einfach ihre Kinder um; ein Mann tötet nicht seinen eigenen Sohn.«
    »Ich weiß, ich weiß«, antwortete Brunetti; auch er fand das ja undenkbar.
    »Wer also dann?«
    »Das ist es ja, was nicht stimmt. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
    »Könntest du dich nicht doch in dem Neffen täuschen?« fragte sie.
    »Natürlich«, räumte Brunetti ein. »Ich könnte mich überhaupt täuschen. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Oder warum.«
    »Um an Geld zu kommen. Ist das nicht der Grund für die meisten Entführungen?«
    »Ich weiß inzwischen nicht mehr, ob es eine Entführung war«, sagte Brunetti.
    »Aber du hast eben noch von Entführern gesprochen.«
    »Ja, ja. Entfuhrt worden ist er. Und jemand hat Lösegeldforderungen geschickt. Aber ich glaube nicht, dass je die Absicht bestand, wirklich Geld zu erpressen.« Er erzählte ihr von dem Angebot, das Conte Lorenzoni gemacht worden war.
    »Woher weißt du denn das?« fragte sie.
    »Dein Vater hat es mir gesagt.«
    Sie lächelte zum ersten Mal. »Ich finde es ja nett, dass so etwas in der Familie bleibt. Wann hast du denn mit ihm gesprochen?«
    »Vor einer, Woche. Und dann noch einmal gestern.«
    »Darüber?«
    »Ja, und über anderes.«
    »Was denn für anderes?« fragte sie, plötzlich mißtrauisch geworden.
    »Er hat gesagt, du wärst nicht glücklich.«
    Brunetti wartete ab, wie Paola darauf reagierte; er fand es am aufrichtigsten, sie auf diese Weise zum Reden darüber zu bringen, was nicht in Ordnung war.
    Paola schwieg lange. Sie stand auf, goss ihnen Kaffee nach, tat heiße Milch und Zucker hinein und setzte sich wieder ihm gegenüber. »Die Psychoschwätzer«, meinte sie dann, »nennen das Projektion.«
    Brunetti kostete von seinem Kaffee, nahm sich noch etwas, Zucker nach und sah sie an.
    »Du weißt doch, wie die Leute immer ihre eigenen Probleme bei der Menschen in ihrem Umfeld sehen.«
    »Worüber ist er denn unglücklich?« fragte Brunetti.
    »Was hat er denn gesagt, worüber ich unglücklich wäre?«
    »Über unsere Ehe.«
    »Na bitte«, sagte sie nur;
    »Hat deine Mutter etwas angedeutet?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du scheinst aber nicht überrascht zu sein«, sagte Brunetti.
    »Er wird alt, Guido, und das wird ihm allmählich bewusst Ich glaube er fängt an, sich Gedanken darüber zu machen, was ihm wichtig ist und was nicht.«
    »Und ist ihm seine Ehe nicht wichtig?«
    »Ganz im Gegenteil. Ich glaube er merkt langsam, wie wichtig sie ihm ist und dass er das seit Jahren ignoriert. Seit Jahrzehnten.«
    Sie hatten über die Ehe von Paolas Eltern nie gesprochen, obwohl Brunetti schon gerüchteweise vor der Vorliebe des Conte für attraktive Frauen gehört hatte.
    Und obwohl es ihm ein leichtes gewesen wäre, herauszufinden, ob etwas Wahres an diesen Gerüchten war, hatte er doch nie die richtigen Fragen gestellt.
    Als waschechter Italiener hegte er nicht die geringsten Zweifel daran, dass ein Mann der Frau, die er mit anderen betrog, mit Leib und Seele zugetan sein konnte. Für Brunetti stand es außer Frage, dass Conte Falier seine Frau liebte, und da er schon einmal beim Adel war, ging ihm auf, dass dies auch ganz offensichtlich auf Conte Lorenzoni zutraf: Das einzige wahrhaft Menschliche an ihm schien seine Liebe zur Contessa zu sein.
    »Ich weiß nicht«, sagte er und ließ offen, aufweichen der beiden Herren Conti sich dieses Eingeständnis seiner Unwissenheit bezog.
    Sie beugte sich Über den Tisch und küsste ihn auf die Wangen. »Solange ich mit dir zusammen bin, könnte ich nie unglücklich sein.«
    Brunetti senkte den Kopf und errötete.

24
    Brunetti hätte das Drehbuch schreiben können. Patta mußte an diesem Morgen das Wort, ergreifen, mit getragener Stimme von der doppelten Tragödie sprechen, die diese adlige Familie getroffen hatte, von dem schrecklichen Verstoß gegen die heiligsten Bande der Menschheit, vom Verfall der christlichen Gesellschaft und so weiter und so fort, ein Totengeläut auf Heim, Herd und Familie. Er hätte das blähsüchtige Wortgetöse vorhersagen können, die einstudierte Natürlichkeit einer jeden

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