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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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seine Hände mit der besudelten Kleidung in Berührung kommen könnten.
    Er merkte, dass Brunetti ihn beobachtete, und drehte sich um. Brunetti ging ihm nach und sah ihn einmal anhalten und in Richtung Wand taumeln, aber bevor er ihm zu Hilfe eilen konnte, hatte er sich schon wieder gefangen. Der Conte stieß sich von der Wand ab und ging am Ende des Flurs nach rechts durch eine Tür, die er gar nicht erst hinter sich zumachte. Brunetti folgte ihm, blieb aber an der Tür stehen.
    Als er plötzlich Wasser laufen hörte, schaute er hinein und sah die Spur der abgeworfenen Kleidungsstücke, die der Conte auf dem Weg zu einer weiteren Tür, wahrscheinlich einem Gästebad, hinterlassen hatte.
    Brunetti wartete mindestens fünf Minuten, aber das Rauschen des Wassers war weiterhin alles, was er hörte. Er lauschte noch ein Weilchen und überlegte schon, ob er hineingehen und nach dem Conte sehen sollte, als das Wasserrauschen verstummte. Erst in der darauf folgenden Stille hörte er die anderen Geräusche von unten, das vertraute Stampfen und Klappern, das ihm verriet, dass inzwischen die Spurensicherung angekommen war. Brunetti gab seine Rolle als Beschützer des Conte auf und ging nach unten, zurück in das Zimmer, in dem den zweiten Lorenzoni-Erben sein grausiger Tod ereilt hatte.

23
    Für Brunetti waren die nächsten Stunden so ähnlich wie für jemanden, der einen Unfall überlebt hat und sich an das Eintreffen des Rettungsteams erinnert, an seine Ankunft in der Notaufnahme, vielleicht sogar an die Maske, die ihn gnädig in Narkose legte. Er stand in dem Zimmer, in dem Maurizio gestorben war, gab Anweisungen, beantwortete Fragen und stellte selbst welche, aber die ganze Zeit hatte er das seltsame Gefühl, nicht richtig da zu sein.
    Er erinnerte sich an die Fotografen, sogar an den obszönen Fluch, den einer ausstieß, als sein Stativ zusammenbrach und die Kamera herunterfiel. Und er erinnerte sich, wie er es schon im selben Moment albern gefunden hatte, inmitten all dessen, was da fotografiert wurde, an der ordinären Sprache Anstoß zu nehmen. Er wusste noch, dass der Anwalt der Lorenzoni-Familie gekommen war und danach eine private Krankenschwester, die sich der Contessa annehmen sollte. Er sprach mit dem Anwalt, den er schon seit Jahren kannte, und erklärte ihm, dass Maurizios Leiche erst in einigen Tagen zur Bestattung freigegeben werden könne, nach der Autopsie.
    Und während er es sagte, dachte er, wie absurd das eigentlich war. Die Zeugnisse des Geschehens waren alle hier in diesem Zimmer: an den Vorhängen, auf den Läufern, eingesickert in die schmalen Parkettstreifen und in den besudelten Kleidungsstücken, die der Conte auf dem Weg zur Dusche abgelegt hatte.
    Brunetti hatte die Männer von der Spurensicherung zu diesen Kleidungsstücken geführt und sie angewiesen, sie einzusammeln und zu beschildern; auch sollten sie die Hände des Conte auf eventuelle Schmauchspuren untersuchen. Und Maurizios ebenso. Er hatte mit der Contessa gesprochen, oder mit ihr zu sprechen versucht, aber sie hatte auf jede seiner Fragen mit einem der Geheimnisse des Rosenkranzes geantwortet. Er fragte, ob sie etwas gehört habe, und sie antwortete: »Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat.«
    Er fragte, ob sie noch mit Maurizio gesprochen habe, und sie antwortete: »Jesus, der für uns das Kreuz auf sich genommen hat.«
    Er gab es auf und überließ sie der Krankenschwester und ihrem Gott.
    Jemand hatte daran gedacht, einen Kassettenrecorder mitzubringen, und Brunetti machte davon Gebrauch, als er sich von Conte Lorenzoni noch einmal langsam die Ereignisse des vorigen Tages und des heutigen Nachmittags berichten ließ. Der Conte hatte nur die äußeren Spuren des Geschehens von sich abgewaschen; in seinen Augen stand immer noch der moralische Preis der von ihm begangenen Tat, der Tat, die Maurizio zu begehen versucht hatte. Er erzählte die Geschichte stockend und mit vielen langen Pausen, in denen er immer wieder den Faden zu verlieren schien. Jedesmal erinnerte Brunetti ihn sanft daran, wo sie waren, und fragte, was dann passiert sei.
    Gegen neun Uhr waren sie fertig, und es gab keinen Grund mehr, noch länger im Palazzo zu bleiben. Brunetti schickte die Leute von der Spurensicherung in die Questura zurück und verabschiedete sich. Der Conte sagte auf Wiedersehen, schien aber nicht mehr zu wissen," dass man sich dabei die Hand gab.
    Vianello stapfte neben Brunetti her, und gemeinsam gingen sie in die erstbeste Bar, die sie

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