Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Geld.«
Bevor er nachhaken konnte, fuhr sie fort: »Einmal habe ich sie auf der Strada Nuova getroffen. Das war vor ungefähr sechs Wochen. Ich trank gerade einen Kaffee in der Eckbar beim traghetto -Halt Santa Fosca, als sie hereinkam. Ich ging zu ihr, und sie erkannte mich auch gleich und küßte mich auf die Wange, als ob wir alte Freunde wären. Sie hielt ein offenes Portemonnaie in der Hand, und ich sah, daß nur etwas Kleingeld darin war. Wieviel, weiß ich nicht, ich habe nicht so genau hingesehen, aber es waren auf jeden Fall bloß ein paar Euro.« Die Erinnerung an jenen Nachmittag in der Bar ließ sie für einen Moment verstummen. »Ich erkundigte mich, was sie haben wolle, und sie sagte: ein Eis. Und wenn ich es recht verstanden habe, sagte sie auch noch so etwas wie: Ich schwärme für Eis. Nun kenne ich den Besitzer der Bar, und ich rief ihm zu, er solle der Signora nichts berechnen, ich würde sie einladen.«
Was dann folgte, war ihr offenbar erst jetzt, im nachhinein eingefallen: »Hoffentlich habe ich sie nicht gekränkt? Ich meine, indem ich darauf bestand, für sie zu bezahlen.«
»Ganz sicher nicht, Signora«, beruhigte er sie.
»Nun gut, ich fragte sie, welche Sorte sie möchte, und sie sagte Schokolade. Als ich daraufhin zwei Kugeln bestellte, sah ich ihr an, daß sie nur eine genommen hätte, und da tat sie mir so unendlich leid. Tag und Nacht mußte sie sich mit dieser schrecklichen alten Frau herumplagen und konnte sich noch nicht mal zwei Kugeln Eis leisten.«
Lange Zeit herrschte Schweigen.
»Und das Geld, das Sie ihr gegeben haben, Signora?« fragte er endlich.
»Eine spontane Geste, nichts weiter. Das Geld hatte ich für einen Auftrag erhalten, um den ich mich zwar beworben das Honorar aber absichtlich so hoch angesetzt hatte, daß ich nicht damit rechnete, ihn zu bekommen. Es ging um Verpackungsentwürfe für ein neues Glühbirnenmodell, ein Projekt, das mich überhaupt nicht reizte. Doch ich erhielt den Zuschlag, und die Arbeit ging mir so leicht von der Hand, daß ich fast ein schlechtes Gewissen hatte, so viel Geld dafür zu nehmen. Darum fiel es mir wahrscheinlich auch leichter, es wegzugeben, als wenn ich mich ernsthaft dafür angestrengt hätte.« Und im Gedanken an ihr leichtverdientes Geld und die spontane Eingebung, die sie bewogen hatte, es Flori zu schenken, schloß sie traurig: »Es hat ihr nicht viel geholfen, nicht wahr? Sie hatte nicht mal die Chance, es auszugeben.«
Doch dann kam ihr eine Erleuchtung. »Warten Sie, mir ist da grade was eingefallen. Ich habe Flori ja nicht das ganze Honorar gegeben. Das restliche Geld habe ich hier gelassen, als ich nach England fuhr, weil ich dort ja keine Verwendung für Euros gehabt hätte. Die Scheine sind noch in meiner Wohnung.«
Das lebhafte Interesse in seinen Augen veranlaßte sie fortzufahren. »Mehr brauchen Sie nicht, um zu beweisen, daß sie Signora Battestini nicht bestohlen, sondern das Geld von mir hatte.« Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Es waren lauter druckfrische Banknoten, wahrscheinlich alle aus einer fortlaufenden Serie. Wenn ich Ihnen also die gebe, die ich übrig behalten habe, und wenn Sie die Seriennummern mit denen der Scheine vergleichen, die Flori im Zug dabeihatte, dann werden Sie sehen, daß sie niemanden bestohlen hat.«
Verwundert darüber, daß er so gar keine Begeisterung zeigte, und insgeheim auch ein bißchen enttäuscht über den ausbleibenden Beifall, fragte sie: »Na? Wäre das etwa kein Beweis?«
»Doch«, versetzte er widerstrebend, »das wäre ein Beweis.«
»Aber?« forschte sie weiter.
»Aber das Geld ist verschwunden.«
5
W ie ist denn das möglich?« stammelte Signora Gismondi. Aber zwischen ihrer Frage und seiner Antwort verstrich soviel Zeit, daß letztere sich erübrigt hatte, als er endlich das Wort ergriff. Sie brauchte nur einen Augenblick nachzudenken, und ihr war klar, daß die Chance, einen solch hohen Geldbetrag unbeschadet durch die Instanzen und über die Schreibtische diverser Beamter zu schleusen, ungefähr so groß war wie die, einen Eiswürfel am Strand des Lido unbeschadet von Hand zu Hand weiterzureichen.
»Nachdem die Polizei in Villa Opicina den Fund gemeldet und weitergeleitet hatte, gibt es offenbar keinen Nachweis mehr über den Verbleib des Geldes«, sagte er.
»Warum erzählen Sie mir das, Commissario?«
»In der Hoffnung, daß Sie es niemandem weitersagen«, antwortete er und versuchte dabei nicht, ihrem Blick auszuweichen.
»Fürchten
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