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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nicht gar, wie ihm manchmal schien, alles - in größerem Kontext.
    »Meinst du, du könntest zur Abwechslung in größerem Kontext übers Abendessen nachdenken?« fragte er.
    Sie blickte erst ihn an, dann auf ihre Uhr, sah, daß es lange nach acht war, und seufzte, fast wie erstaunt darüber, daß er ihren Gedankengang mit einem solch profanen Ansinnen unterbrach. »Ja, sicher«, sagte sie. »Ich habe die Kinder schon kommen hören.« Und als sähe sie ihn zum erstenmal bewußt an, schickte sie die Frage hinterher: »Was hast du denn mit deinem Hemd gemacht? Es als Handtuch benutzt?«
    »Ja«, antwortete er und ergänzte auf ihren erstaunten Blick hin: »Ich erklär's dir nach dem Essen.«
    Chiara und Raffi waren beide zu Hause, was im Sommer selten genug vorkam, weil sie da häufig mal einzeln, mal gemeinsam bei Freunden eingeladen waren und bisweilen auch über Nacht blieben. Raffi war jetzt in einem Alter, wo man seine Schwärmerei für Sara Paganuzzi so ernst nehmen mußte, daß Brunetti ihn eines Nachmittags vor ein paar Monaten beiseite genommen und versucht hatte, mit ihm über Sex zu reden. Worauf er sich von seinem Sohn belehren lassen mußte, daß er darüber bereits alles Wissenswerte in der Schule erfahren habe. Wieder einmal war es Paola gewesen, die tags darauf die Initiative ergriffen und beim Abendessen erklärt hatte: Ganz gleich, wie es seine Freunde hielten - sie habe mit Saras Eltern gesprochen, und sie, die Erwachsenen, seien sich einig, daß er jedenfalls nicht bei Sara übernachten dürfe und sie nicht bei ihm.
    »Aber das ist ja wie im Mittelalter«, hatte Raffi gejammert.
    »Trotzdem bleibt es dabei«, war Paola jedem weiteren Einspruch zuvorgekommen.
    Was auch immer Raffi und Sara untereinander ausgemacht hatten: Beide schienen mit der Lösung zufrieden, denn wenn Sara zum Essen kam, war sie zu allen höflich und freundlich, und selbst Raffi schien es seinen Eltern nicht mehr zu verübeln, daß sie ihm Regeln auferlegten, die außer ihm sicher auch die meisten seiner Freunde als »mittelalterlich« bezeichnet hätten.
    Raffi und Chiara hatten beide den Tag am Strand von Alberoni verbracht, wenn auch mit verschiedenen Cliquen, und sich beim Schwimmen einen solchen Appetit geholt, daß sie zulangten wie die Feldarbeiter. Nach der Größe der Platte zu schließen, auf der Paola Fisch und Shrimps angerichtet hatte, schien sie einen ganzen Schwertfisch gekauft zu haben. »Nimmst du noch eine dritte Portion?« fragte Brunetti, als er sah, wie begehrlich sein Sohn die fast leere Platte beäugte.
    »Er ist im Wachstum, papà«, warf Chiara überraschend ein, was nur bedeuten konnte, daß sie für heute satt war.
    Brunetti sah verstohlen zu Paola hinüber, doch die nahm sich gerade Spinat nach und versäumte leider die Chance, den Großmut zu bewundern, mit dem er auf die Frage verzichtete, ob ihr Sohn vielleicht der Sünde der Völlerei fröne. Statt dessen sagte Paola, als sie sich wieder dem Tischgespräch zuwandte, gleichmütig: »Iß ruhig auf, Raffi. Kalten Fisch mag ja doch keiner.«
    »Apropos kalter Fisch - auf englisch könnte man daraus jetzt ein Wortspiel machen, oder, mamma?« fragte Chiara. Zwar wußte Brunetti längst, daß seine Tochter außer Paolas Nase und ihrer knabenhaften Figur auch deren Sprachleidenschaft geerbt hatte, aber heute geschah es zum erstenmal, daß sie sich an so etwas wie Komik und Doppeldeutigkeit in ihrer Zweitsprache erprobte.
    Als sie das Eis aufgegessen hatten, war Chiara schon so schläfrig, daß Paola beide Kinder zu Bett schickte, noch bevor sie den Tisch abdeckte. Brunetti trug die leere Eiscremeschüssel in die Küche und schleckte, an die Arbeitsplatte gelehnt, genüßlich den Vorlegelöffel ab, mit dem er anschließend die letzten Pfirsichstückchen aus der Schüssel fischte. Als auch der allerletzte Schnitz vertilgt war, stellte er die Schüssel neben die Spüle und ging zurück, um die Gläser zu holen.
    Sobald sie das Geschirr eingeweicht hatte, schlug Paola vor: »Wollen wir beim Obst bleiben und noch ein Gläschen Williamsbirne auf der Terrasse trinken, was meinst du?«
    »Wahrscheinlich wäre ich längst verhungert, wenn du nicht so rührend für mich sorgen würdest«, sagte Brunetti.
    »Guido, mein Liebling«, gurrte sie, »ich ängstige mich sehr viel um dich, weil ich weiß, was dir in deinem Beruf alles zustoßen könnte, aber, glaub mir, die Sorge, daß du Hungers sterben könntest, die habe ich nun wirklich nicht.« Damit ging sie voraus

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