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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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oder ... ach, ich weiß auch nicht. Jedenfalls hat sie ihn angeblich noch nie so wütend gesehen, in ihrem ganzen Leben nicht, und sie kennt nicht einmal den Grund.«
    »Was wirft er ihm denn vor?« Brunetti wußte aus Erfahrung, daß gewaltbereite Personen ihre Absicht oft vorab kundtun; mitunter auch weil sie hoffen, an der Ausführung gehindert zu werden.
    »Daß Ribetti ein Querulant sei, der Assunta nur wegen ihres Geldes geheiratet habe und um sich die fornace unter den Nagel zu reißen. Das mit der fornace behauptet er allerdings nur, wenn er betrunken ist.«
    »Kein Wunder! Welcher normale Mensch würde heutzutage schon eine Glasbläserei auf Murano übernehmen wollen?« gab Brunetti irritiert zurück. »Noch dazu, wenn er kein gelernter Glasbläser ist?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und Assunta? Was wollte sie nun von dir?«
    »Fragen, ob sie zu dir kommen und sich Rat holen darf.« Paola klang ein bißchen nervös, als sie diese Bitte weiterleitete.
    Brunetti tätschelte ihre Hüfte. »Selbstverständlich kann sie kommen«, sagte er.
    »Und du wirst nett zu ihr sein?«
    »Ja, Paola«, versprach er und küßte sie auf die Wange. »Ich werde nett sein zu ihr.«

6
    A m nächsten Morgen erschien Assunta De Cal kurz nach zehn in der Questura. Der diensthabende Beamte am Eingang meldete den Besuch telefonisch an und führte die Signora dann hinauf in Brunettis Büro. Da sie an der Schwelle stehenblieb, ging der Commissario ihr entgegen und gab ihr die Hand. »Wie schön, daß wir uns so bald wiedersehen«, sagte er und umschiffte mit dieser Formulierung elegant das Problem der Anrede. Assunta, der man schon auf der Vernissage angesehen hatte, daß sie älter war als ihr Mann, wirkte heute regelrecht verhärmt. Ihr Teint war fahl, und die Längsfalten zwischen Nase und Mund traten schärfer hervor als neulich. Zwar hatte sie sich zurechtgemacht - die Haare frisch gewaschen und sich geschminkt -, doch ihre Nervosität und den Druck, der auf ihr zu lasten schien, konnte sie nicht verbergen.
    Sie war offenbar der Ansicht, daß ihm die gleiche vertrauliche Anrede gebühre wie Paola; jedenfalls duzte sie ihn umstandslos, als sie ihm dafür dankte, daß er sich die Zeit nahm, sie anzuhören.
    Brunetti führte sie zu den Besucherstühlen vor seinem Schreibtisch, rückte ihr einen zurecht und nahm, sobald sie sich hingesetzt hatte, auf dem anderen Platz.
    »Paola sagte, du möchtest mit mir über deinen Vater sprechen«, begann er.
    Assunta hielt sich so gerade wie ein Schulmädchen, das zum Direktor zitiert wird, um sich einen Verweis abzuholen. Sie nickte mehrmals und flüsterte endlich: »Es ist furchtbar.«
    »Warum sagst du das, Assunta?«
    »Ich habe es Paola erzählt«, erwiderte sie ausweichend, so als schäme sie sich oder sei zu schüchtern, um mit der Sprache herauszurücken. Oder vielleicht hoffte sie auch, er habe bereits alles von Paola erfahren.
    »Ja, schon, aber ich möchte es noch mal von dir hören«, ermunterte Brunetti sie.
    Assunta holte tief Luft. Dann, obwohl sie die Lippen fest zusammenpreßte, entwich ihr ein kummervoller Seufzer. »Mein Vater behauptet, daß Marco mich nicht liebt, sondern mich nur wegen meines Geldes geheiratet hat.« Sie sagte das, ohne ihn anzusehen.
    Brunetti verstand nur zu gut, daß es ihr peinlich war, die abfälligen Bemerkungen ihres Vaters zu wiederholen, der sie als reizlos und nicht begehrenswert geschmäht hatte. Allein, das hatte nichts mit den Drohungen zu tun, die sie hergeführt hatten. »Hast du denn eigenes Geld, Assunta?«
    »Das ist ja das Verrückte.« Assunta beugte sich mit ausgestreckter Hand zu ihm hinüber, zog sie jedoch, knapp bevor sie seinen Arm berührte, wieder zurück. »Nein, ich habe eben keins! Mir gehört das Haus, das meine Mutter mir vermacht hat, aber auch Marco hat in Venedig ein Haus von seiner Mutter geerbt, und seines ist viel größer.«
    »Wer wohnt denn dort?« fragte Brunetti.
    »Wir vermieten es«, antwortete sie.
    »Und machen die Mieteinnahmen euch reich?«
    Die Vorstellung brachte Assunta zum Lachen. »Nein, Marcos Cousine und ihr Mann haben das Haus gemietet.
    Sie zahlen vierhundert Euro im Monat. Davon könnte niemand reich werden.«
    »Aber hast du vielleicht Ersparnisse?« fragte Brunetti, eingedenk der vielen abenteuerlichen Geschichten, die er im Lauf der Jahre gehört hatte; Geschichten von Leuten, die heimlich all ihre Einkünfte gehortet und es angeblich bis zum Millionär gebracht hatten.
    »Nein, auch nicht. Was

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