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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Eigenschaften, die Brunetti, als Polizist, verabscheute: ihre Bereitwilligkeit, sich mit der Kriminalität zu arrangieren; ihr mangelndes Vertrauen in die Gesetze; ihr stoischer Gleichmut gegenüber der Ohnmacht des Rechtssystems. Aber wir erschießen keine Kinder auf offener Straße, bloß weil sie Orangen klauen, dachte er, und war doch keineswegs sicher, ob man darauf als Bürger schon stolz sein dürfe.
    Gleich einem Epileptiker, der einen drohenden Anfall spürt, wußte Brunetti, daß Arbeit ihn am besten von solch düsteren Gedanken ablenken würde. Also griff er nach seinem Notizbuch und suchte die Telefonnummer heraus, die Tassinis Schwiegermutter ihm gegeben hatte. Es meldete sich ein Mann.
    »Signor Tassini?« fragte Brunetti. »Sì«
    »Hier spricht Commissario Guido Brunetti, Signore.« Er hielt inne, wartete auf Tassinis Nachfrage, aber der Mann blieb stumm, und so fuhr Brunetti fort. »Ob Sie mir wohl ein wenig von Ihrer Zeit opfern würden, Signor Tassini? Ich möchte mich gern mit Ihnen unterhalten.«
    »Sind Sie der Polizist, der schon mal hier war?« Tassinis Mißtrauen war unüberhörbar.
    »Ja, der bin ich«, antwortete Brunetti gelassen. »Ich habe mit Ihrer Schwiegermutter gesprochen. Aber die konnte mir kaum Auskunft geben.«
    »Worüber?« fragte Tassini tonlos.
    »Über Ihren Arbeitsplatz, Signore«, sagte Brunetti und wartete wieder auf eine Reaktion Tassinis.
    »Was ist damit?«
    »Es handelt sich um Ihren Chef, Giovanni De Cal. Darum wollte ich Sie nicht in der fornace aufsuchen. Es wäre uns lieber, Ihr Arbeitgeber erführe nicht, daß wir uns für ihn interessieren.« Das war nur zu wahr, und es stimmte auch, daß De Cal erheblichen Ärger machen konnte, sofern er dahinterkam, daß Brunetti praktisch auf eigene Faust ermittelte.
    »Ist es wegen meiner Beschwerde?« fragte Tassini, dessen Neugier nun doch über seinen Argwohn siegte.
    »Natürlich deswegen«, schwindelte Brunetti, »aber auch wegen Signor De Cal und einer Meldung ihn betreffend, die bei uns eingegangen ist.«
    »Eine Meldung von wem?« fragte Tassini.
    »Darüber darf ich Ihnen leider keine Auskunft geben, Signor Tassini. Sie haben sicher Verständnis dafür, daß wir alles, was uns zugetragen wird, vertraulich behandeln.« Brunetti wartete, ob Tassini das schlucken würde, und da ihm dessen Schweigen dafür zu sprechen schien, wagte er sich weiter vor: »Könnten wir uns wohl einmal unterhalten?«
    Nach einigem Zögern fragte Tassini: »Wann?«
    »Wann immer es Ihnen paßt, Signore.«
    Tassinis Stimme klang, als er darauf antwortete, schon nicht mehr so ungezwungen wie noch einen Augenblick zuvor. »Woher haben Sie diese Nummer?«
    »Von Ihrer Schwiegermutter«, erwiderte Brunetti. Und wie um nicht zudringlich zu erscheinen, setzte er mit gedämpfter Stimme hinzu: »Sie hat mir auch gesagt, daß Sie kein telefonino besitzen, Signor Tassini. Was mich angeht, so kann ich Sie nur beglückwünschen zu einer so klugen Entscheidung.« Er schloß mit einem leisen Lachen.
    »Sie halten die Dinger also auch für gefährlich?« fragte Tassini eifrig.
    »Nach dem, was ich gelesen habe, würde ich sagen, es gibt gute Gründe, sich in acht zu nehmen«, versetzte Brunetti. Seiner Lektüre nach zu urteilen, gab es auch gute Gründe dafür, Automobile, Zentralheizung und Flugzeuge als gefährlich einzustufen, aber davon sagte er Signor Tassini lieber nichts.
    »Wann wollen wir uns treffen?« fragte Tassini.
    »Wenn Sie jetzt gleich Zeit für mich hätten, könnte ich in einer Viertelstunde bei Ihnen sein.«
    Es blieb lange still in der Leitung, doch diesmal zwang sich Brunetti, das Schweigen auszuhalten. »Also gut«, sagte Tassini endlich. »Aber nicht hier bei mir. Da ist eine Bar gegenüber von San Francesco di Paola.«
    »An der Ecke vor dem Park?« fragte Brunetti.
    »Ja.«
    »Die kenne ich, das ist die, wo sie so kleine Herzen auf den Cappuccinoschaum zaubern, nicht wahr?«
    »Richtig, ja«, bestätigte Tassini, nun wieder zugänglicher.
    »Ich bin in einer Viertelstunde da«, sagte Brunetti und legte auf.
    Als der Commissario die Bar betrat, hielt er Ausschau nach einem Gast, der als Nachtwächter einer Glasmanufaktur in Frage kam. Ein Mann trank seinen Kaffee am Tresen und unterhielt sich mit dem Wirt. Ein Stück weit entfernt standen zwei Beamtentypen, ebenfalls mit Kaffeetassen vor sich; einem der beiden lehnte eine Aktentasche am Bein. Ganz am Ende der Theke fütterte ein Kerl mit großer Nase, aber auffallend kleinem Kopf

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