Buch des Flüsterns
Fisch bringen. Die Albaner mit Schöpflöffeln für den Hirsetrank und Gerstezucker. Die Armenier mit kräftigen Brauen und krummen Nasen, die den feinen, mitunter süßlichen, dann wieder scharfen Duft der Gewürze verbreiten.
Auf ein Zeichen hin bleiben sie stehen. An unserem Tor herrscht Stille. Noch haben wir den Lattenzaun mit den aufs Geratewohl angenagelten Latten, je nachdem, ob gerade eine zur Hand war, wenn der Regen welche verfaulen und der Wind sie hatte austrocknen lassen. Der Himmel ist erleuchtet und flackert wie eine Kerze. Die Erde ist dunkel und beweglich wie Wasser. Nichts ist mehr so, wie es war. Es ist der Augenblick, da man sich eher an die Zukunft erinnert denn an die Vergangenheit. Angheluță schiebt den Riegel zurück und öffnet. Einer nach dem anderen treten sie ein und füllen den ganzen Hof. Scheu treten sie ans Fenster heran. Sehen das, was sie wussten. Und trotzdem schauen sie, indem sie den Kopf ganz nahe an die Fensterscheibe heran beugen. Als wäre das Fenster ein großes Auge, und sie wollten es mit ihrem Auge ausfüllen. Die ersten treten in die Stube. Die anderen folgen. Herinnen ist es eng. Sie drängeln nicht und passen doch alle herein. Die einen sagten später, ich hätte sie aus alten Augen angeschaut, so wie Mutter sagt, ich hätte bei meiner Geburt nicht geweint, sondern gelacht. Die meisten sagten, ich sei auch damals ein stilles Kind gewesen. Ich hätte die Augen geschlossen gehabt, sagen die meisten, also habe ich geschlafen oder mich gefürchtet.
Als Erster kommt Angheluță heran. Sein Geschenk ist weißer als der Staubzucker auf seinen Fingern und leuchtender. Es ist eine Lichtkugel, die sich nicht rührt, in der es aber zuckt und pulsiert und rollt. Angheluță tritt zurück unter die anderen. Der Zweite ist Bobârcă. Er kommt schüchtern heran, nicht geradewegs, sondern folgt dem Lichtkreis der glühenden Kugel. Er legt seine schattige Kugel daneben. Deren Schattenwurf legt sich nicht über das Licht. Auf diese Weise glänzt jedes der beiden Geschenke auf seine Weise. Dann tritt Mercan schweigend vor. Sein Geschenk sollte sich über die der anderen erheben. Er bläst in seine hohlen Hände. Da breiten sich Schwingen aus, füllen die Stube von einer Ecke bis zur anderen und lassen sich dann auf die schatten- und lichtglühenden Geschenke der anderen herab, ohne sie jedoch zu bedecken. Sie stehen vornübergebeugt, die Hände auf der Brust, und schauen so, als beteten sie, wie auf den Bildern, die ich erst später sah. Kaspar, Melchior und Balthasar. Der Kreis öffnet sich, um den Halva-Verkäufer durchzulassen. Taor mit seinem wiegenden Gang, der gleichzeitig näher kommt und sich entfernt. Taors Tanz ist die Zeit selbst.
In Focșani gab es zwei armenische Kirchen. In der Moldau gibt es kaum eine Stadt, in der die Armenier keine Kirchen gebaut hatten. Zu Zeiten, da es keine anderen Versammlungsorte gab, war die Kirche der Beweis für das Vorhandensein einer Gemeinschaft. Wenn etwa zwanzig Familien zusammengekommen waren, bildeten ihre Oberhäupter einen Kirchenrat und suchten einen Platz für die Kirche aus. Die Geschäfte, Häuser, und die Mündungen der Straßen, die auch heute noch in Suceava, Bacău und Bukarest Armenische Straße heißen, wurden nach der Kirche ausgerichtet. In der Vorhalle, die oftmals nach moldauischem und nicht armenischem Brauch eine Seitentür hatte, gab es eine Tafel, auf der die ersten Stifter der Kirche genannt wurden. Die armenischen Namen, mit denen sie von weither gekommen waren, haben sich zwischendurch verändert. Sei es, dass sie russische Endungen erhielten, polnische, oder dass die Endungen überhaupt wegfielen. Es sind alte Namen; viele von ihnen sind nur noch auf den Kirchenwänden oder auf den Gräbern der Friedhöfe erhalten geblieben. Missir, Alaci, Trancu, Buicliu, Pruncu, Ciuntu, Ciomac, Ferhat, Aburel, Asvadurov. Asachievici, Simonovici, Iacobovici.
Selbst Klöster haben sie gebaut. Eines Abends, als die Brüder Donavak mit ihren Herden gegen Westen zogen, rasteten sie an einer Straße in der Nähe von Suceava. Dort träumten sie beide den gleichen Traum. Die Muttergottes zeigte ihnen jenen Ort. Sie verkauften ihr Vieh auf dem Leipziger Markt und errichteten nach ihrer Rückkehr ein Kloster, das sie ihr widmeten. Es war um 1512. Und damit eines der ersten armenischen Klöster, die in Europa errichtet wurden. Es besteht auch heute noch und heißt auf Armenisch
Hacigadar
, also Erfüllung der Wünsche. Am Tag des
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