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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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beginnt 1924, als der General im Alter von einundvierzig Jahren rumänischen Boden betrat. Sein Bukarester Haus auf der Popa-Soare-Straße 55 steht auch heute noch. Es ist im Stil der Zeit gebaut, aber auf seinen Mauern sind in stilisierter armenischer Schrift die Buchstaben seines Kriegsnamens eingelassen. Dro wurde mithilfe seiner Freunde aus der Revolutionären Armenischen Föderation zum Verwalter einiger Erdölfirmen. Diese Partei war 1890 von Cristapor Micaelian, Rostom Zarian und Simon Zavarian gegründet worden und wurde kurz Föderation genannt, was auf Armenisch
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ș
nag
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heißt, woher sich das Kurzwort
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herleitet, das bei den Nachkriegsmeetings, die vom Kulturhaus am Boulevard Carol I. organisiert wurden – es war so etwas wie der zweite Sitz der Sowjetischen Botschaft geworden –, oder bei den Versammlungen im Miorița-Kino auf der Calea Moșilor, wenn nicht sogar auf dem Gelände der Sowjetischen Botschaft und unter den wachsamen Augen der Securitate-Leute, von den neuen Vorstehern der Gemeinschaft mit einem Unterton von Schändlichkeit ausgesprochen wurde, während die Manövriermassen, die keine Ahnung vom Armenischen hatten, es prompt lautstark verhöhnten.
    Etwas über ein Jahrzehnt lang führte Dro ein bürgerliches Leben, er kümmerte sich um das Ölgeschäft, organisierte die kleine armenische Gemeinde in Ploiești, schloss die Reihen der ehemaligen armenischen Regierungsmitglieder, die nach Rumänien geflohen waren, und nahm ab und zu an den Begegnungen des Zentralbüros der Revolutionären Armenischen Föderation in Paris teil, deren Repräsentant für die Balkanregion er geworden war. Die Ermordung seiner Familie in Omsk in der sibirischen Taiga fachte seinen Hass auf die Bolschewiki wieder an. Und Dro wurde zu einem der militantesten und aktivsten Kämpfer für die Befreiung Armeniens von der bolschewistischen Okkupation.
    Meine Großväter Garabet Vosganian und Setrak Melichian haben mir nichts von alledem erzählt. Großvater Garabet hat meine Freude am Schreiben geweckt, er hoffte, ich würde eines Tages der Erzähler sein, aber er hielt mich nie dazu an und entwirrte mir auch den Faden der Geschichte nicht. Es wäre zu einfach gewesen, dachte ich. Es wäre ein Fehler, dachten meine Großväter. Und Setrak Melichian, mein Großvater mütterlicherseits, gestand mir eines Abends, als wir unter dem Baldachin aus Weintrauben in Craiova
Ghiulbahar
spielten und ich schon ein erwachsener Mann war: Wer gelitten hat, kann die Geschichte nicht so erzählen, wie sie sich zugetragen hat, sondern nur die eigene Geschichte. Wer gelitten hat, kann nicht verstehen. Auch wer hasst, kann nicht verstehen. Meine Großväter gehörten zu den Wegbegleitern, die vor dir einhergehen und den Kopf nicht wenden, zu sehen, ob du ihnen folgst.
    Schließlich hatte ich den Faden der Legende um die Waffen des Generals Dro in der Hand, zwar hatte ich nicht das Ende des Fadens gefunden, also den Wald, unter dessen jungem Holz die Waffen vergraben waren, aber welche Legende könnte schon schädlich sein, wenn man sie zu Ende erzählt.
    Die Gruppe um Dro hatte vor allem aus Freunden bestanden, die mit ihm das Schicksal teilten und sich ebenfalls in Rumänien niedergelassen hatten. Zu ihnen zählten die Mitglieder der früheren Regierungen Armeniens: Hovhannes Kaciaznuni, der erste Premierminister, Sarkis Araradian, ehemaliger Handels- und Finanzminister, Kevork Hazarian, Erziehungsminister, Hovhannes Devegian, erster Sekretär des Konsiliums, Abraham Kiulghandarian, Minister des Fernmeldewesens und der Justiz, und andere. Im Rumänien jener Jahre hätte man mühelos eine komplette Exilregierung Armeniens zusammenstellen können, vom Premierminister bis zu den Kanzleivorstehern. Aber weil er vielleicht dachte, seine Heimat könne nur durch bewaffneten Kampf befreit werden – und dies zu Recht, nachdem die Amerikaner und Engländer den Vertrag von Sèvres preisgegeben hatten, der die Illusion eines Großarmenien erweckt hatte –, versammelte er alle Mitglieder der »Nemesis«-Gruppe, die nach Rumänien geflohen waren, um sich: Misak Torlakian, seine rechte Hand, dann Ervant Fândâkian, Aram Yerganian und Măgârdici Măgârian.
    Mir wurde beigebracht, dass ich das Gute vom Bösen unterscheiden muss, und selbstverständlich wurde ich auch angehalten, das Gute zu wählen, ohne dass recht klar geworden wäre, wo die Linie verläuft, die beide trennt. Erst später sollte ich erfahren, dass man zumeist

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