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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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vornehmen, die Welt zu retten – da, wo es hell ist. Was hat dein Bewußtsein denn zu befürchten?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Das Nichts.«
    »Aber, gehört das Nichts denn nicht zum Bewußtsein dazu?«
    »Jetzt geht die Sophisterei schon wieder los«, sagte ich. »Dann bin ich eben ein sich mit Welterlösungsgedanken tragendes Stück Zeitung unter der Laterne. Das ändert nichts daran, daß ich so denke, und es tut weh!«
    »Ein Stück Zeitung kann nicht denken. Es kann höchstens eine Überschrift haben, meinetwegen fett: ›Ich möchte die Welt unter meiner Laterne retten.‹ Und drunter steht: ›O Schmerz! O Wonne!‹ Ach, Petka, wie soll ich es dir bloß erklären? Diese ganze Welt ist ein Witz, den der liebe Gott sich selber erzählt. Und der liebe Gott ist vom selben Kaliber.«
    Draußen gab es eine neue Detonation, diesmal so nahe, daß eine Fensterscheibe zersprang. Man konnte deutlich die Granatsplitter durch das Laub der Bäume zischen hören.
    »Wissen Sie was, Wassili Iwanowitsch«, sagte ich, »wir sollten die Theorie begraben. Es wäre besser, sich etwas Praktisches zu überlegen.«
    »Praktisch sag ich dir eins, Petka: Wenn du Angst hast, sind wir beide geliefert. Denn Angst zieht immer genau das an, wovor man sich fürchtet. Wenn du nichts fürchtest, bist du unsichtbar. Gleichmut ist die beste Tarnung. Geht dir alles am Arsch vorbei, wird keiner, der dir Böses wollte, noch an dich denken. Nur wenn du weiter so auf dem Stuhl herumrutschst wie jetzt, wirst du dich in fünf Minuten vor Webern nicht mehr retten können.«
    Er hatte recht. Ich schämte mich meiner Nervosität, die angesichts seiner bemerkenswerten Ruhe um so kläglicher wirkte. Hatte ich mich nicht gerade erst geweigert, mit Kotowski abzureisen? Ich war noch hier, weil ich es so gewollt hatte, und es war dumm, die vielleicht letzten Minuten meines Lebens an Zweifel und Ängste zu vertun. Ich sah zu Tschapajew hinüber, und mir fiel ein, wie wenig ich immer noch über diesen Mann wußte.
    »Nun sagen Sie doch mal, Tschapajew, wer sind Sie wirklich?«
    »Du tätest besser daran, Petka, nach dir selber zu fragen. Dann erfährst du alles über mich. Sonst mußt du am Ende noch in einem fort ›ich, ich, ich!‹ schreien, so wie der Ganove aus deinem Traum. ›Ich‹ – was bedeutet das? Wer ist das? Sieh genau hin.«
    »Das möchte ich schon gern, aber …«
    »Das möchte ich schon gern, aber …«, äffte er mich nach. »Warum tust du es dann nicht? Warum lenkst ab auf ein ›das‹ und ein ›möchte‹ und ein ›schon‹ und ein ›gern‹ und ein ›aber‹?«
    »Gut«, sagte ich. »Dann beantworten Sie mir meine Frage. Einfach und klar. Geht das?«
    »Klar geht das. Locker!«
    »Wer sind Sie, Tschapajew?«
    »Weiß ich nicht.«
    Zwei oder drei Kugeln pfiffen die Außenwände der Badestube entlang, daß die Späne flogen; unwillkürlich zog ich den Kopf ein. Hinter der Tür waren leise Stimmen zu hören – man schien zu beratschlagen. Tschapajew goß die beiden Gläser voll; ohne anzustoßen, tranken wir. Nach kurzem Zögern nahm ich mir eine Zwiebel vom Tisch.
    »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte ich und biß ab. »Aber die Frage ließe sich bestimmt auch anders beantworten?«
    »Ließe sich machen.«
    »Also, wer sind Sie, Wassili Iwanowitsch?«
    »Ich?« fragte er zurück und sah mir in die Augen. »Ich bin das Licht, das sich in der Flasche da spiegelt!«
    Das Licht, das seine Pupillen zurückwarfen, traf mich wie eine Ohrfeige. Es war der Moment, in dem, völlig überraschend für mich selbst, die Erleuchtung eintrat.
    Der Schlag war so heftig, daß ich glaubte, eine Granate hätte in der Stube eingeschlagen. Einen Moment später hatte ich mich wieder im Griff. Es gab eigentlich nichts zu sagen. Es geschah aus Gewohnheit, daß mir mein Gedanke unverzüglich über die Lippen ging.
    »Ich auch. Komisch, nicht wahr?« flüsterte ich.
    »Und wer ist dann das?« fragte Tschapajew und wies mit dem Finger auf mich.
    »Pustota«, sagte ich.
    »Und das?«
    Erzeigte auf sich.
    »Tschapajew.«
    »Prima! Und das?«
    Er deutete mit einer Gebärde auf die Badestube, in der wir saßen.
    »Das weiß ich nicht.«
    Im selben Moment klirrte das Fenster, und eine Kugel pfiff herein, die zwischen uns stehende Flasche zersprang, ihr restlicher Inhalt spritzte uns ins Gesicht. Sekundenlang schauten wir einander schweigend an. Dann stand Tschapajew auf, ging zu der Bank, wo sein Rock lag, nahm den silbernen Stern ab und warf ihn

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