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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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gelegen. Und zwar aus rein privaten und äußerst stichhaltigen Gründen, bei vollem, quälendem Bewußtsein. Und da kreuzt ein Bulle auf, mit Blaulicht und Knarre. Will den Ausweis sehen. Ich hab ihn vorgezeigt. Dann wollte er natürlich Geld. Ich gab ihm alles, was ich hatte – so an die zwanzigtausend. Er nimmt das Geld und will trotzdem nicht gehen. Ich hätte mich zur Wand drehen und ihn vergessen sollen, aber nein – laß ich Idiot mich doch auf ein Gespräch mit ihm ein. Wieso, sag ich, hast du's ausgerechnet auf mich abgesehen, gibt's dort oben auf der Straße nicht genug Gangster? Der Bulle war redselig – hat Philosophie studiert, wie ich hinterher erfahren hab. Doch, sagt er, da gibt's jede Menge. Aber sie stören die Ordnung nicht. Wie das denn, frag ich weiter. Also, sagt der Bulle. Ein normaler Gangster ist wie? Du guckst ihn an und weißt, er hat nur eins im Kopf: irgendwen um die Ecke bringen, ausrauben oder was weiß ich. Und der, der von ihm ausgeraubt wird, stört die Ordnung auch nicht weiter, der liegt da mit zertrümmertem Schädel und denkt, Scheiße, ausgeraubt. Du aber liegst hier rum – spricht er zu mir –, und man sieht gleich, du hast Flausen im Kopf. Man könnte denken, du tätst an das, was um dich rum ist, gar nicht glauben. Oder an allem zweifeln.«
    »Und was haben Sie geantwortet?« fragte ich.
    »Ja, was schon. Ich sag zu ihm: Kann sein, ich hab tatsächlich so meine Zweifel. Schon die Weisen aus dem Fernen Osten haben gesagt, die Welt ist eine Illusion. Das von den Weisen hab ich natürlich nur so gesagt, um ihm im Niveau entgegenzukommen. So primitiv, wie der war. Da ist er richtig rot geworden und hat gesagt: Was bildest du dir ein? Ich hab an der Uni mein Diplom über Hegel geschrieben und laufe trotzdem jetzt hier mit der Knarre rum. Und du meinst, nur weil du irgendeinen Artikel aus ›Wissenschaft und Religion‹ aufgeschnappt hast, kannst du dich einfach so im Keller verkriechen und an der Wirklichkeit zweifeln? Also kurz, ein Wort gab das andere, und dann hat er mich mitgenommen, erst aufs Revier und dann hierher. Da war ein Kratzer am Bauch, wo ich mich geschnitten hatte an ner zerbrochenen Flasche, den haben sie mir als Suizidversuch ausgelegt.«
    »Ich würde ja alle, die an der Wirklichkeit zweifeln, überhaupt hinter Gitter bringen«, mischte sich unerwartet Maria ein. »Die gehören nicht ins Irrenhaus, sondern ins Gefängnis. Wenn nicht noch ganz woandershin.«
    »Warum, wenn ich fragen darf?« erkundigte sich Serdjuk.
    »Willst du das wirklich wissen?« fragte Maria griesgrämig. »Dann komm her, ich erklär's dir.«
    Er verließ seinen Eckplatz bei der Tür, ging zum Fenster, wartete, bis auch Serdjuk dort angelangt war, und wies mit seinem muskulösen Arm nach draußen.
    »Siehst du den 600er Mercedes, der da steht?«
    »Ja«, sagte Serdjuk.
    »Ist das auch eine Illusion?«
    »Höchstwahrscheinlich ja.«
    »Weißt du, wer in dieser Illusion durch die Gegend fährt? Der Verwaltungsdirektor unserer netten Anstalt. Sie nennen ihn den kleinen Wowtschik, mit Spitznamen Nietzscheaner. Schon mal gesehen?«
    »Ja.«
    »Was hältst du von ihm?«
    »Ein Gangster, keine Frage.«
    »Dann überleg mal. Dieser Gangster hat, sagen wir, zehn Leute umgelegt, bis er sich so ein Auto kaufen konnte. Heißt das also, die zehn hätten ihr Leben umsonst gelassen, weil das Auto nämlich eine Illusion ist? Was ist? Merkst du, daß die Sache stinkt?«
    »Ich merk schon«, sagte Serdjuk finster und kehrte zu seinem Stuhl zurück.
    Währenddessen hatte Maria anscheinend auch wieder Lust zum Zeichnen bekommen. Er holte sein Brett aus der Ecke und setzte sich neben uns.
    »Nein«, sagte er, während er mit zusammengekniffenen Augen auf die Aristotelesbüste starrte, »wenn du irgendwann hier rauskommen willst, mußt du Zeitung lesen und Gefühle zulassen. Nicht an der Wirklichkeit zweifeln. Zu Sowjetzeiten, da haben wir mit Illusionen gelebt. Aber heute ist die Welt real und erkennbar. Kapiert?«
    Serdjuk zeichnete schweigend weiter.
    »Bist du vielleicht andrer Meinung?«
    »Schwer zu sagen«, sagte er so finster wie zuvor. »Daß die Welt real ist, bezweifle ich. Erkennbar ist sie allemal, das weiß ich schon lange. Und zwar am Geruch.«
    »Meine Herren«, fing ich an, da ich spürte, daß Zank auszubrechen drohte, und das Gespräch auf neutrales Territorium zu lenken suchte, »können Sie mir vielleicht sagen, warum wir hier immerzu Aristoteles zeichnen?«
    »Sagen Sie bloß, das ist

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