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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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stand jetzt eine Petroleumlampe. Tschapajew saß unverändert gegenüber, das Glas in der Hand, und sang, an die Wand starrend, vor sich hin. Seine Augen waren beinahe genauso trübe wie der Schnaps in der Flasche, die schon zur Hälfte leer war. Warum nicht auf seinen Ton eingehen? dachte ich und hieb mit aufgesetztem Mutwillen die Faust auf den Tisch.
    »Hand aufs Herz, Wassili Iwanowitsch: Sind Sie ein Weißer oder ein Roter?«
    »Ich?« fragte Tschapajew und versuchte mich anzusehen. »Willst du das wirklich wissen?«
    Er nahm zwei Zwiebeln vom Tisch und begann sie wortlos zu schälen. Die eine schälte er ganz, von der anderen entfernte er nur die oberste Schale, so daß eine rötlich-violette Haut zum Vorschein kam.
    »Schau her, Petka«, sagte er und legte die Zwiebeln vor sich auf den Tisch. »Da sind zwei Zwiebeln. Die eine ist weiß, die andere rot.«
    »Das seh ich.«
    »Guck dir die weiße an.«
    »Gemacht.«
    »Und jetzt die rote.«
    »Na und?«
    »Jetzt alle beide. Hast du?«
    »Ja doch.«
    »Dann sag, was bist'n selber für einer – Roter oder Weißer?«
    »Ich? Als wie was?«
    »Wirst du rot, wenn du auf die rote Zwiebel guckst?«
    »Nein.«
    »Oder wirst du vom Gucken auf die weiße blaß?«
    »Kann ich nicht behaupten.«
    »Gut. Nächste Frage. Landkarten kennst du. Nehmen wir mal an, der Tisch hier ist eine schematische Karte des Bewußtseins. Hier sind die Roten. Und hier die Weißen. Ändert sich durch die Anwesenheit von Rot und Weiß unsere Grundfarbe? Oder was ist es, was sich in uns färbt?«
    »Jetzt rücken Sie endlich raus mit der Sprache, Wassili Iwanowitsch. Also nicht rot und nicht weiß. Was sind wir dann für welche?«
    »Eh du komplizierte Fragen stellst, Petka, versuch mal mit den einfachen klarzukommen. ›Wir‹ ist noch viel komplizierter als ›ich‹, oder etwa nicht?«
    »Doch«, bestätigte ich.
    »Was meinst du, wenn du ›ich‹ sagst?«
    »Mich selber, denk ich mal.«
    »Und, kannst du mir sagen, wer du bist?«
    »Pjotr Pustota.«
    »Das ist dein Name. Wer ist der, der ihn trägt?«
    »Na, zum Beispiel ließe sich sagen, das Ich ist die psychische Persönlichkeit. Die Summe von Gewohnheiten, Erfahrungen, Kenntnissen halt, und Geschmäckern.«
    »Von wessen Gewohnheiten redest du, Petka?« fragte Tschapajew in eindringlichem Ton.
    »Von meinen«, sagte ich achselzuckend.
    »Aber du hast doch eben gesagt, daß du aus einer Summe von Gewohnheiten bestehst. Wenn das nun deine sind, dann sind es unterm Strich die Gewohnheiten einer Summe von Gewohnheiten, ja?«
    »Klingt lustig«, sagte ich. »Ist aber wohl so.«
    »Und Gewohnheiten haben was für Gewohnheiten?«
    Meine Gereiztheit nahm zu.
    »Unser Gespräch wird ein bißchen primitiv. Ausgegangen waren wir doch von der Frage, wer ich von Natur aus bin. Wenn Sie nichts dagegen haben, sehe ich mich als, sagen wir, als Monade. Im Leibnizschen Sinne.«
    »Und der sich als Limonade sieht, ist dann wer?«
    »Die Monade sieht sich so«, antwortete ich, eisern um Gelassenheit bemüht.
    »Gut«, sagte Tschapajew und kniff listig die Augen zusammen, »auf das Wer kommen wir zurück. Laß uns jetzt erst mal übers Wo reden, mein Lieber. Wo ist die Limonade drin, sag mal?«
    »In meinem Bewußtsein.«
    »Und das Bewußtsein ist wo?«
    »Hier drin«, sagte ich und tippte mir an den Kopf.
    »Dein Kopf ist wo?«
    »Auf den Schultern.«
    »Die Schultern sind wo?«
    »Im Zimmer.«
    »Das Zimmer?«
    »Im Haus.«
    »Und das Haus?«
    »In Rußland.«
    »Rußland ist wo?«
    »Im Eimer, Wassili Iwanowitsch.«
    »Laß das!« fuhr er mich an. »Gewitzelt wird, wenn der Kommandeur es befiehlt. Antworte.«
    »Wo schon. Auf der Erde.«
    Wir stießen an und tranken.
    »Wo ist die Erde?«
    »Im All.«
    »Und wo ist das All?«
    Ich überlegte einen Moment.
    »In sich.«
    »Wo liegt dieses ›in sich‹?«
    »In meinem Bewußtsein.«
    »Daraus folgt, Petka, dein Bewußtsein steckt in deinem Bewußtsein.«
    »Das folgt daraus, ja.«
    »So«, sagte Tschapajew und strich sich den Schnurrbart glatt, »jetzt hör mir mal genau zu. An welchem Ort befindet es sich?«
    »Ich verstehe nicht ganz, Wassili Iwanowitsch. Der Ortsbegriff ist auch eine Kategorie des Bewußtseins, so daß …«
    »Wo ist der Ort? An welchem Ort befindet sich der Ortsbegriff?«
    »Sagen wir, an gar keinem Ort. Besser wäre zu sagen, die Reali…«
    Ich sprach nicht zu Ende. So läuft der Hase! dachte ich. Gebrauchte ich das Wort »Realität«, würde er mir wieder mit meinen Gedanken

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