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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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nicht alles richtig machen.
    Dann schickte er Minna hinaus, er habe noch Briefe zu schreiben.
    ***
    Johann Jakob Jaeglé galt nicht als feinsinniger Theologe. Seiner Doktorarbeit, sagte man unter Freunden, fehle es an akademischer Reife und Schliff. Er soll geäußert haben, die Aufgabe des Pfarrers sei es, so zu sprechen, dass er von den Leuten verstanden werde. Seine Bibliothek enthielt zwar einen guten Teil theologischer Bücher, aber zum weit größeren wichtige Werke der Aufklärung und schöngeistige Literatur, jedoch keinen Romantiker, auch keinen Goethe und keinen Jean Paul. Sonst Bürger,Gellert, Herder, Lessing und Schiller sowie Wieland. Englische Autoren hatten es ihm angetan, Shakespeare und Walter Scott. War Minna als kleines Mädchen noch sprachlos vor den Büchern gestanden, lernte sie nun zu verstehen, was den Vater zum Bücherfreund gemacht hatte.
    Ja, sie sind Freunde, erklärte er. Bist du traurig, nimm ein unterhaltendes Buch, einen Roman. Ist der Geist fest und harmonisch, wähle die Bücher, die ihn fordern und bilden.
    Anfangs wählte Jaeglé die Lektüre für seine Kinder aus. Die Mutter hielt ihn für zu unbekümmert, warnte vor bestimmten Büchern. Jaeglé gab zurück, was sei schon dabei, wenn sich zwei küssten.
    Sie hatte allerdings jene Bücher gemeint, die die Seele beeinflussen konnten, und man wüsste doch nicht, wie die Kinder das alles verstehen würden. Diese Ansichten hatte sie von ihrem eigenen Vater übernommen.
    Dann sollten sie fragen, war Jaeglés Ansicht, denn Lesen schule das Denken. Das schade auch einem Mädchen nicht!
    So las Minna das, was ihr der Vater gab, und bald das, was sie sich selbst auswählte. Sie las mit Friedrich, wenn er da war, und Madame Rauscher meinte, er sehe glücklich aus, wenn er mit Minna zusammen sei. Im Garten saßen sie oder in einer Stube, und Minna half der Rauscherin bei den Kindern und aß bei ihnen. Friedrich durfte neben ihr sitzen. Er würde nun bald studieren, im Herbst ginge es los.
    Die Eltern bemerkten die Blicke zwischen den beiden, auch wenn sie nicht hinsahen. Man sagte nichts dazu. Es war in der Ordnung der Dinge. Friedrich warein großer Bursche geworden, und er traf Minna gerne. Er nahm ihre Hand, wenn keiner es sah. Auch hatte er sie geküsst, als er ganz sicher war, dass keiner es sah. Minna hatte es niemandem gesagt.
    Nie konnte er auf Minnas Neigung zu den Naturwissenschaften eingehen. Nicht mit der Mathematik wollte er sich befassen, nicht mit den Gestirnen, keine Steine sammeln und schon gar keine toten Tiere aufschneiden, geschweige denn Menschen! Es sei eben sein liebstes Fach. Die Bibel zeige einen eindeutigen Weg, und die Welt sei darin aufgehoben.
    Minna wusste, sie sollte damit zufrieden leben. Die Welt war aufgehoben und in sich geschlossen.
    Friedrichs Vater sollte später ihrem Vater als Pastor der Gemeinde nachfolgen. Wenn der Friedrich erst eine Stelle hätte, würde sie die Kinder unterrichten – wenn sie seine Frau werden würde. Die Welt schloss sich wieder, drehte sich im Kreis, und Minna war eingebettet im Kreis, und im Kreis lagen Barr und die Bibel und die Eltern und die Kinder in der Schule, die Söhne, die Theologen wurden, die Töchter, die Kinder gebären würden.
    Minna lehnte sich mit beiden Armen auf das Fenstersims. Die frische Morgenluft wehte herein, sie fröstelte. Drüben auf dem Kirchhof gingen ein paar Leute schon auf das Portal zu. Hier an ihrem Fenster könnte sie wohl stundenlang die Menschen beobachten, ohne dass einer sie bemerkt hätte. In Gruppen kamen die Frauen, die Alten, die jungen Burschen.
    Es hat Monate gegeben, in denen sie das Lachen von Jean nicht erkannte, ihn grüßte wie jeden anderen imOrt. Er arbeitete jetzt den ganzen Tag bei seinem Vater in der Schmiede. Da war er. Ein großer junger Mann, mit offenem Blick. Zum Tanzen ging er auch, das wusste Minna. Sie durfte nicht tanzen gehen, nicht zum Maitanz, nicht zu den Hochzeiten.
    Von Gründonnerstag bis Karsamstag schwiegen die Glocken. Die Ratscherbubetage. Das Schnarren und Rattern der Rätschen ersetzte das Läuten. Vom Rathausplatz und von der Metzgergasse her drang es zu Minna. Sie kamen mit ihrer Begeisterung, mit kräftigem Griff um ihre Ratschen hinter ihr näher. Minna steuerte auf die Kirchgasse zu, musste mit den Kräutern im Korb nach Hause. Nein, neun Kräuter waren es nicht, es mussten auch nicht neun sein. Jeder sagte trotzdem Ninkriddelesupp dazu, wenn der Kumpf auf den Tisch kam. Sieben Kräuter hatte

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