Bullenhitze
Bei uns unten sitzt ein guter alter Bekannter auf dem Flur, dem ziemlich der Stift geht, weil ihm offensichtlich jemand abhanden gekommen ist.«
Lenz und Wagner schauten sich desinteressiert an.
»Wenn er ein guter alter Bekannter von dir ist, dann kümmer du dich doch um ihn«, empfahl Wagner dem jungen Kollegen.
»Würde ich gerne, aber er will sich nicht mit den Knallchargen abgeben, sondern besteht auf dem Boss von K 11. Und der hockt nun mal hier rum und säuft Kaffee. Außerdem war ich heute Morgen schon fleißig und hab das Alibi von Gerlinde Wohlrabe überprüft. Mit vollem Erfolg übrigens, nur falls es hier jemanden interessieren sollte.« Damit stand er auf, nahm Lenz die Kaffeetasse aus der Hand und zog ihn aus dem Stuhl.
»Gut gemacht, Thilo. Wer ist es denn, der unbedingt und ausschließlich mit mir sprechen möchte?«
Hain konnte nur mühsam sein Lachen unterdrücken. »Werner Peters.«
»Peters, der Schreiberling?«, mischte Wagner sich empört ein. »Was erwartet der sich denn von euch, was er bei mir nicht kriegen könnte?«
»Lass sein, Uwe«, beschwichtigte Hain den Kollegen. »Er will ausnahmsweise mal keine diskreten Informationen, die er dann völlig ungeniert in die Zeitung hievt, sondern bittet uns um Hilfe. Und ich glaube, er meint es diesmal wirklich ernst.«
»Na, dann wollen wir den Guten mal nicht warten lassen«, erklärte Lenz und schlurfte unter den kritischen Blicken seiner Kollegen Richtung Tür.
»Vielleicht solltest du auf dem Weg nach unten noch ein klein wenig an deinem Finish arbeiten«, schickte Wagner ihm hinterher.
*
Werner Peters, schwergewichtiger Redakteur bei der Lokalzeitung, saß wie ein Häufchen Elend auf einem der für ihn unpassend kleinen, verchromten Stühle, die zwischen Lenz’ und Hains Büro standen. Als er den Hauptkommissar um die Ecke kommen sah, sprang er auf und wischte sich seine offenbar feuchten, fleischigen Hände an der Hose ab.
»Morgen, Herr Lenz, und schön, dass Sie sich ein bisschen Zeit für mich nehmen können.«
»Schon gut, Herr Peters. Kommen Sie mit in mein Büro. Was kann ich denn für Sie tun?«
Peters folgte ihm artig, setzte sich auf den angebotenen Stuhl und warf dann einen Blick auf Hain, der hinter ihm ins Zimmer gekommen war und die Tür geschlossen hatte. »Kann ich Sie vielleicht unter vier Augen …?«
»Ach, Herr Peters«, erwiderte Lenz, und ließ sich in seinen Stuhl fallen. »Tun Sie mir den Gefallen. Sie nehmen uns einfach nur die Arbeit ab, dass ich im Anschluss an unser Gespräch dem Kollegen Hain das, was Sie mir berichtet haben, nacherzählen muss.«
Der Journalist warf dem Oberkommissar einen missbilligenden Blick zu. Offenbar hielt er ihn für einen unsicheren Kantonisten. »Trotzdem muss ich mich darauf verlassen, dass das, worüber wir sprechen, mit absoluter Diskretion behandelt wird.«
Lenz hätte beinahe laut losgeprustet. Diese Worte aus dem Mund von Peters hatten etwas Niedliches.
»Versprochen, Herr Peters. Also, was gibt’s?«
Wieder wischte der adipöse Mann sich seine Hände an der Hose ab, bevor er anfing. »Kennen Sie Klaus Patzner, den Referenten des Hofgeismarer Bürgermeisters Anselm Himmelmann?«
Die beiden Polizisten schüttelten die Köpfe.
»Nein, warum?«, fragte Lenz.
»Weil ich befürchte, dass ihm etwas zugestoßen ist.«
»Und was bringt Sie auf diese Idee, Herr Peters?«
»Ich war gestern mit ihm verabredet. Sollte ihn anrufen. Das hat nicht geklappt. Er war den ganzen Abend nicht zu erreichen.«
Lenz rang um Contenance. »Und das beunruhigt Sie? Vielleicht ein wenig … voreilig, oder?«
»Herr Kommissar, bitte nehmen Sie mich ernst«, bat der dicke Mann mit wie zum Gebet vor dem Bauch gefalteten Händen. »Wenn es nur darum gehen würde, dass er einfach nicht zu erreichen wäre, würde ich bestimmt nicht hier sitzen. Aber das ist es nicht.«
Erneut fanden die Innenflächen seiner Hände zielsicher den Weg zur Hose.
»Ich komme gerade von seiner Frau. Die ist völlig fertig, weil er sich seit gestern Mittag nicht mehr bei ihr gemeldet hat. Eigentlich wollte sie schon vergangene Nacht eine Vermisstenanzeige aufgeben, das habe ich ihr ausgeredet.«
»Warum?«, mischte Hain sich ein.
»Na ja, ich dachte ja nicht, dass er auch heute Morgen noch nicht zu Hause sein würde. Aber jetzt mache ich mir doch ernsthafte Sorgen.«
»Wie sieht es an seinem Arbeitsplatz aus? Haben Sie da nachgefragt?«
»Natürlich«, empörte Peters sich. »Und ich bitte Sie noch
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