Bushido
für einen Abend, dass Menschen, die eigentlich niemals miteinander reden würden, für ein paar Stunden im gleichen Raum chillten und sich ausnahmsweise mal nicht auf die Fresse schlugen. Wie kann so etwas schlecht sein? Ich muss doch in den Köpfen dieser Menschen irgendwas bewegt haben, dass sie bei meiner Musik für einen Moment nicht mehr an ihren Hass dachten – oder nicht?
Ich bin Araber. Trotzdem würde ich niemals einem Juden verbieten, zu meinem Konzert zu kommen. Warum sollte ich das tun? Nur weil unsere Völker, historisch gesehen, sich gegenseitig nicht besonders gut leiden können? Was hat denn die Geschichte mit meiner persönlichen Gegenwart zu tun? Genau aus diesem Grund durften diese Nazis auf meinem Konzert bleiben, auch wenn sie am nächsten Tag wahrscheinlich wieder zu irgendwelchen Ausländern »Scheiß-Türke« gerufen haben. Vielleicht begriffen diese vier Jungs durch mein Konzert aber auch, dass Ausländer gar nicht so scheiße sind und man mit ihnen auch cool abhängen kann. Vielleicht habe ich an jenem Abend tatsächlich vier verlorene Seelen wieder auf den richtigen Weg gebracht – wer weiß? Wenn die Medien aber titeln: »Bushido und seine Nazi-Freunde!«, dann ist das nicht mehr mein Problem. Wir reden immer über die Verantwortung, die jeder Bürger seinem Land gegenüber hat. Anhand dieses Beispiels sieht man aber, wie einseitig diese Verantwortung mittlerweile geworden ist. Warum sieht das bloß niemand.
Viele Medien kritisieren mich, weil ich in ihren Augen ein Gangster-Image pflege, um mehr CDs zu verkaufen. Ich kann den Spieß auch gern umdrehen. Wenn Journalisten und Politiker mir nationalsozialistische Tendenzen vorwerfen und Bezug nehmen auf die Geschichte mit dem Autogramm auf der Nazi-Glatze, haben sie dann nicht auch eine gewisse Verantwortung, objektiv darüber zu berichten? Ich sage Ja. Die Chefredakteure sagen Nein. Warum? Weil sie sonst keine Schlagzeilen hätten. Es ist doch immer das gleiche Spiel: Ich könnte ein Heilmittel gegen Krebs erfinden und trotzdem würde man einen Dreh finden, mich dafür zu verurteilen. Warum? Weil ich Bushido bin. Weil ich der böse Junge bin.
Leider ist die Mehrheit der Menschen ziemlich einfach gestrickt und leicht manipulierbar. Man sieht es ja daran, wie bei uns Werbung gemacht wird. Willst du etwas sagen, benutze wenige, aber dafür klare Wörter. Man muss den Menschen simple Bilder vorgeben, damit sie eine Thematik überhaupt in ihr Gehirn lassen. Genau aus diesem Grund wird es auch immer Mc Donald’s, RTL 2 und die Bild-Zeitung geben. Die Leute wollen keine Fragen stellen, wenn sie abends von der Arbeit nach Hause kommen. Sie wollen Fast Food, vorgefertigte Meinungen und vor allem: keinen Stress.
Das beste Beispiel ist die Art und Weise, wie die Amerikaner es ge-schafft haben, dass man bei dem Begriff »Terror« sofort an Osama bin Laden denkt. Ob das wirklich der Wahrheit entspricht, sei einmal dahingestellt und ist wiederum ein anderes Thema, das hier jetzt nicht zur Debatte steht. Osama bin Laden ist in den Köpfen der Menschen der Inbegriff des Terrors. Er ist das personifizierte Böse. Die Amerikaner haben der Menschheit ein Symbol gegeben, das jeder Bauarbeiter der Welt ohne große Worte versteht: Araber + Turban + Vollbart = Terrorist. So funktioniert die Menschheit. Wir brauchen diese Bilder, um uns an ihnen zu orientieren. Ich bin eben in den Köpfen mancher Menschen dieser böse Rapper, der die Gedanken ihrer Kinder verseucht. Wenn Politiker ihrem Volk einreden wollen, dass ich die Quelle allen Übels bin, nur damit sie besser schlafen können, bitteschön. Dass die Objektivität dabei auf der Strecke bleibt, interessiert anscheinend nur mich. Aber wer bin ich schon?
Hier noch ein weiteres Beispiel: Im Jahr 2010 findet zum ersten Mal in der Geschichte eine Fußballweltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent statt. Genauer gesagt, in Südafrika. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sitzen mehrere verfeindete Stämme zusammen, um über Fußball zu reden. Stämme, die sich gegenseitig umbringen und die sich auch nach der WM mit Sicherheit wieder bekriegen werden, arbeiten gemeinsam an einer Sache. Wieso kam eigentlich noch niemand auf die Idee, der FIFA vorzuwerfen, sich in Afrika mit Stammeshäuptlingen an einen Tisch zu setzen, die für ganze Völkermorde verantwortlich sind? Aus einem einfachen Grund: Weil alle sagen, es sei toll, dass der Fußball sogar den größten Hass überwinden und die ganze Welt miteinander
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