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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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»Helm« auf Italienisch.
    Superpfiffige Chiffrierung, dachte er und zog eine grimmige Grimasse.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte er weiter, und als Nächstes, dass es wohl das sicherste Zeichen dafür war, dass die Hoffnung wirklich gestorben war, wenn man anfing, Sprichwörter zu verwenden.
    Was fast schon selbst einem Sprichwort gleichkam.
    Er wartete noch eine Stunde, die ganze Zeit von Bachs wunderschönen Harmonien umgeben. In dieser Stunde wanderten seine Blicke häufig aus dem Fenster hinüber auf die andere Seite des Innenhofs.
    Auf dem Flur der A-Gruppe waren Aktivitäten in Gang, so viel war klar. Er fragte sich nur, was da vorging.
    Bachs h-Moll-Messe ging in einen schwereren Teil über, gedämpfter, trauriger. Die Töne sammelten sich um ihn wie eine Totenmesse. Er schaute hinüber zu den alten Kollegen und spürte, wie weit weg sie waren, wie sie sich immer weiter von ihm entfernten. Er spürte Trauer wie einen Stachel. Wenngleich eine ziemlich schöne Trauer.
    Als träte er mit einem Gefühl, dass alles im Grunde gut war, in den Tod ein. Als hätte er alles getan, was er wollte, und das geschafft, was er musste.
    Als wollte der Tod ihm nichts Böses.
    Er wusste nicht, woher das Gefühl kam. Allerdings wusste er, dass er mit dem Tod spielte. Dass man sich nicht in Per Naberius’ Nähe begeben konnte, ohne dem Tod um viele Schritte näher zu kommen. Und dass er im Begriff war, jede Sicherheit hinter sich zu lassen. Dass das Eis unter seinen Füßen immer dünner wurde.
    Das konnte es sein. Es konnte auch etwas anderes sein. Aber das Gefühl blieb. Auch als Bach zu seinen fast göttlich jubelnden Klängen zurückkehrte.
    Er konnte es nicht erklären – aber spüren.
    Er spürte es eine Stunde lang. Er spürte es, während drüben bei der Sondereinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter Fenster um Fenster erlosch. Er spürte es sogar, als sich im Eingangsordner des guten »casco« etwas regte.
    Er hatte eine Mail bekommen. Von Rawan Fahaidawi. Sie lautete: »Spur?«
    Das war alles.
    Er antwortete unmittelbar: »Spurlos.«
    Und dann wartete er wieder.
    Diesmal dauerte es nicht länger als eine Viertelstunde, bis die Antwort kam: »Bereit für dasselbe?«
    Erst in diesem Augenblick wusste Paul Hjelm, dass sich alles zusammenfügte. Er hatte sich das Ganze nicht eingebildet, sondern eine sorgfältig gemeißelte Spur gefunden und war ihr gefolgt, und zwar mit großer Präzision. Ein paar Sekunden lang gestattete er sich, zufrieden mit sich selbst zu sein. Dann hob er die Hände über die Tastatur und hielt inne.
    Dies war tatsächlich der Augenblick.
    Dies war der Zeitpunkt, wo alles auf dem Spiel stand.
    Dies waren die wenigen Sekunden, in denen nicht nur über Paul Hjelms Zukunft entschieden wurde, sondern über sein ganzes Leben. Jetzt entschied sich, ob es überhaupt eine Zukunft gab.
    Es gab kein Zurück. Wenn er jetzt kehrtmachte, würde er es sein ganzes Leben und für alle Zukunft bereuen.
    Er schrieb: »Ja.«
    Und wartete erneut eine Viertelstunde, bis die Antwort kam.
    Sie lautete: »Omxhgpu, 11.00.«
    Er erstarrte. Er spürte förmlich körperlich, wie er völlig steif und kalt wurde. War das eine neue verfluchte Chiffrierung? Sein ganzer Körper sagte ihm, dass er keine Kraft mehr für weitere hatte.
    Doch dann erkannte er es. Es war die erste Lösung des Vigenèrekryptogramms. Die falsche, bei der Schlüsselwort und Kryptogramm vertauscht waren.
    Er musste lachen.
    Der richtige Klartext lautete natürlich: »Modhult.«

27
    Der Turm ist rot. Jedes Fenster leuchtet in klarem Rot. So soll es sein.
    Du legst das Handy zur Seite und betrachtest die rot erleuchteten Fenster der neun Stockwerke des Turms. Nach fünf Minuten wird das homogene rote Licht von einer langweiligen und faden Buntheit abgelöst.
    Da wendest du dich ab. Die Wohnung ist dunkel wie gewöhnlich. Du hast keine Lampen. Du lebst vom Licht draußen.
    Es reicht völlig aus für deine Zwecke.
    Im Flur neben der Tür steht ein Koffer. Ein großer Koffer.
    Du schleppst ihn ins Wohnzimmer. Es ist von geschmacklos buntem Licht erfüllt.
    Du befühlst den Arbeitstisch mit dem Finger. Ziehst ihn langsam durch das Blut. Es spielt jetzt keine Rolle. Dich findet sowieso keiner. Du bist jetzt sicher.
    Du hinterlässt einen deutlichen Fingerabdruck in dem halb geronnenen Blut. Einen Moment lang betrachtest du ihn. Dann öffnest du den Koffer.
    Er fällt auf wie ein altmodisches Buch. Eine zerlesene Gefängnisbibel. Darin

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