auf die Tür gerichtet war, die der Säpo-Chef eben hinter sich zugezogen hatte, war ihm nicht ganz klar, was er sich eigentlich dabei gedacht hatte, als er die sexy Grafologin aufsuchte, die einst auch seine Handschrift gedeutet hatte. Jetzt setzte sie sich sehr dicht neben ihn an ihrem Küchentisch in Kristineberg. Er versuchte angestrengt, sich auf die Vergrößerung von Fawzi Ulaywis Namenszug zu konzentrieren, und fragte sich gleichzeitig, warum diese Frau ihn um diese Zeit am Abend in ihrer Wohnung empfing. Vielleicht war sie nur Idealistin. Oder ganz einfach gut .
»Warum sollte er mit einem anderen Namen unterschreiben?«, fragte Paul Hjelm. »Das ist doch ausgesprochen dämlich.«
»Unser Namenszug sitzt tief in uns drin«, sagte die Grafologin und versenkte ihren Blick in seinen. »Wenn wir eine falsche Unterschrift geben wollen und auch nur ein kleines bisschen abgelenkt werden, passiert es leicht, dass eine Art Reptilhirn dennoch den richtigen Namen hinkritzelt. Das Denken und der Intellekt sind daran überhaupt nicht beteiligt.«
»Sie meinen also, dass er gar nicht unter dem Namen Fawzi Ulaywi nach Schweden gekommen ist?«
»Das halte ich für wahrscheinlich.« Die Grafologin nickte.
»Sondern unter welchem Namen …?«
»Ich lese den Vornamen als Rawan. Was glauben Sie?«
»Ich ahne höchstens ein ›w‹, aber mehr nicht.«
»Dann ist es ja ein Glück, dass ich die Expertin bin«, sagte die Grafologin und lächelte einnehmend. »Der Nachname ist heikler.«
»Irakische Nachnamen sind heikel«, sagte Hjelm. »Saddam Hussein verbot 1977 alle Nachnamen, weil es ihm peinlich wurde, dass das gesamte Regime al-Tikriti mit Nachnamen hieß. Sie kamen nämlich alle aus seiner Heimatstadt Tikrit.«
»Aber die, die vor ihm geflohen sind, haben im neuen Land sicher ihren alten Nachnamen wieder angenommen«, vermutete die Grafologin und studierte den Schriftzug.
»Aber es fragt sich, ob sie dann einen Pass ausgestellt bekamen«, gab Hjelm zu bedenken.
»Wenn ich mich nicht irre, ist die ganze Frage von Nachnamen und Vornamen in der arabischen Welt eine schwierige Sache«, sagte die Grafologin und fuhr fort: »Ich lese Fahaidawi, Rawan Fahaidawi.«
Er beobachtete sie. Sie beobachtete ihn.
Dann hatten sie Sex in ihrem Bett mit Ausblick auf die Tranebergsbro. Das war sehr überraschend.
Als er Kristineberg verließ, bewegte er sich mit einer ganz anderen Leichtigkeit durch die Welt. Und die beförderte ihn zu einem Elektrogroßmarkt auf der anderen Seite der Brücke, der noch spätabends geöffnet hatte. Dort erwarb er etwas, von dem er gelesen hatte, aber nicht sicher war, ob es tatsächlich existierte.
Doch das tat es.
Es war das 3G-Netzwerk. Man stöpselte ein kleines Ding in seinen Computer und konnte mit dieser Mobilfunkverbindung jederzeit und überall drahtlos surfen. Ohne über interne Server zu gehen und unnötige Spuren zu hinterlassen.
Dieses kleine Ding ragte gerade aus seinem Computer. Er hatte ein aufgeschlagenes Buch so darübergelegt, dass man es nicht sah. Und er war sicher, dass der Säpo-Chef es nicht entdeckt hatte.
Er durchsuchte das Netz nach dem Namen Rawan Fahaidawi und arbeitete sich langsam durch alle internationalen Treffer hindurch. Ein gutes Stück abwärts auf der Liste fand er eine schwedische Homepage. Sie hieß www.blomsterimport.se. Er öffnete sie. Rawan Fahaidawi stand auf der Liste der Mitarbeiter. Er war ganz einfach Lagerverwalter bei der Firma Blomsterimport AB in Årsta, in unmittelbarer Nähe vom Årsta-Großmarkt.
Es gab drei Möglichkeiten. Entweder war dies ein anderer Rawan Fahaidawi, vielleicht war der Name gewöhnlicher, als Hjelm dachte. Anderseits hätte er dann weitere Personen dieses Namens in Schweden finden müssen. Oder es war wirklich derselbe Mann, der sich einmal Fawzi Ulaywi genannt hatte und jetzt Zivilist war, deklassiert zum Lagerverwalter in einem Blumenhandel. Paul Hjelm setzte also seine ganze Hoffnung auf die dritte Möglichkeit: dass Blomsterimport AB eine Maskierung von »Orpheus Life Line« war.
Er sah zur Uhr. Es waren exakt zwei Stunden vergangen, seit er Rawan Fahaidawis Namen angeklickt und eine Mailadresse gefunden hatte. Über das anonyme Hotmail-Konto
[email protected] hatte er ihm eine Mail geschickt. Ihr Wortlaut: »OLL? TM?«
Mehr nicht.
Orpheus Life Line?
Tore Michaelis?
Wenn es der richtige Rawan Fahaidawi war, würde er es verstehen. Ebenso würde er seine Hotmail-Adresse deuten können, denn »casco« bedeutete