Bußestunde
Zwanzigerjahren mit strohdünnen Männern, die sich aus dem Stand über eins achtzig tricksen.«
»Allerdings eindeutig nur für Götter«, sagte Söderstedt. »Aber Götter bringen kein Geld ein. Das Publikum blieb aus. Ungefähr das Gleiche geschieht derzeit mit so feinen Sportarten wie Volleyball und Tischtennis.«
»Dr. Mrs Nora Higgins kann sich eigentlich nur an Menschen wenden, die nicht mit dem Internet umgehen können, die immer noch glauben, es sei natürlich, Schecks mit der Schneckenpost durch die Welt zu schicken.«
»Und die die Transaktionen auf ihren Konten nicht checken. Er hat lange durchgehalten. Aber jetzt hat die Technik Dr. Mrs Nora Higgins eingeholt. Beim nächsten Mal, wenn er es versucht, ist er dran.«
Söderstedt sah auf den Computerbildschirm in ihrem gemeinsamen Büro. Er war noch jedes Mal genauso verwundert, wenn er aufblickte und Gunnar Nyberg auf der anderen Seite des Schreibtischs vorfand und nicht seinen – wie es ihm vorgekommen war – ewigen Partner Viggo Norlander.
Sie hatten nach dem Mittagessen wieder telefoniert. Ein kurzes Gespräch aus dem Söder-Krankenhaus. Eine neue Operation war notwendig. Viggo wusste nicht mehr, die wievielte es war, aber es hatten sich neue Metastasen gebildet. Jetzt wieder. Arto versuchte, heiter zu bleiben, aber es fragte sich, wie lange er noch durchhielt, bis er gezwungen sein würde, den Stand der Dinge zu akzeptieren. Dass Viggo Norlander trotz tapferen Widerstands sich mit rasender Geschwindigkeit auf den Punkt zubewegte, an dem jede Hoffnung vergebens war.
Nein, dachte Arto Söderstedt und betrachtete seinen kerngesunden neuen Partner, diesen Punkt wird weder er noch ich akzeptieren. Ich werde an seinem Grab stehen und es nicht akzeptieren, und ich werde das Protestknirschen aus der Erde hören, und gemeinsam werden unsere wortlosen, aber kraftvollen Proteste Gottvater persönlich anrühren, und er wird gezwungen sein, uns allen kundzutun, warum zum Teufel er sich etwas so Idiotisches wie Krebs ausgedacht hat.
Als Arto Söderstedt sich wieder der diesseitigen Welt zuwandte, spürte er, dass Gunnar Nyberg ihn von der anderen Seite des Schreibtischs her anstarrte.
»Ich denke auch an ihn«, sagte Nyberg.
»Ja«, sagte Söderstedt.
»Er war auch mein Partner. Bevor er deiner wurde.«
»Am sogenannten Anbeginn der Zeiten.«
»Du erinnerst dich vielleicht: Die bandagierten Schädel NN, Nyberg und Norlander mit bandagierten Schädeln nach den Heldentaten im Zusammenhang mit dem Kentucky-Mörder.«
»Ich erinnere mich«, gab Söderstedt zu. »Aber das ändert nichts.«
»Vielleicht nicht«, erwiderte Nyberg. »Aber du musst einsehen, dass es nicht nur dich betrifft.«
»Ich sehe ein, dass es nur Viggo betrifft«, berichtigte Arto. »Also bin ich ganz einig mit dir, dass es nicht das ist, was unsere Zusammenarbeit aufhält. Das bist du, Gunnar.«
»Selbstverständlich.« Gunnar lächelte. »Erzähl jetzt deinem armen dir unterlegenen Partner, was gerade läuft.«
Söderstedt lächelte auch kurz und erklärte dann: »Seit vier Stunden sind wir, zusammen mit Europolizisten in elf EU-Ländern, mit dem Server verbunden, von dem Dr. Mrs Nora Higgins ihre letzten fünf Mailbomben abgeschickt hat. In derselben Sekunde, in der die nächste Mail abgeht, werden wir – mithilfe einer imponierenden Suchkette – erfahren, in welcher europäischen Stadt unser Erzhirn sitzt. Schickt er dann noch eine Mail ab, werden wir wissen, wo exakt er sich aufhält. In welcher verfluchten Wohnung.«
»Danke«, sagte Nyberg. »Ich bin so froh darüber, dass du mir die Dinge erklärst.«
»Gern geschehen«, entgegnete Söderstedt.
In genau diesem Moment begann der vollkommen weiße Bildschirm vor ihm sich zu verändern. Das tat auch sein Gesicht, weshalb Nyberg sich auf der Stelle zur anderen Seite des Schreibtischs verfügte und über Söderstedts Schulter beugte. Der Bildschirm füllte sich mit Ziffern und Buchstaben in komplizierten Kombinationen, und das Ganze endete mit den Buchstaben »STH«.
»Das kann nicht wahr sein«, sagte Söderstedt atemlos. »Er sitzt, verdammt noch mal, doch nicht etwa in Stockholm. Der kann ja nicht mal richtig Englisch.«
»Und das Englisch von Schweden ist natürlich einwandfrei«, spottete der selbst ernannte Sprachexperte Nyberg.
Das Telefon klingelte. Söderstedt nahm ab. Ein Gespräch in nicht ganz flüssigem Englisch entspann sich, in dem Söderstedts Rolle sich weitgehend darauf beschränkte, in regelmäßigen
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