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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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auf Hjelms Schoß.
    »Ich bin nicht der Meinung, dass da besonders viel steht«, sagte Hjelm sachlich. »Du bist alles Material in seinem Schreibtisch durchgegangen? Wo sind die Unterlagen jetzt?«
    »In unserem internen Archiv natürlich.«
    »Das steht hier aber nicht. Und ein Verzeichnis ist auch nicht dabei.«
    »Es war doch nur nutzloser Kram.«
    »Aber er findet sich im Archiv? Er ist nicht weggeworfen worden?«
    »Du hast wahrlich eine Menge zu lernen über die Sicherheitspolizei.«
    »Kann ich sein Zimmer sehen?«
    »Es ist nicht mehr seins«, sagte Rudfeldt. »Drei Wochen unentschuldigte Abwesenheit führen zum Verlust gewisser Privilegien.«
    »Wer sitzt denn jetzt in seinem Zimmer?«
    »Ich.«
    Paul Hjelm hielt inne und sah sich in dem ziemlich großen, aber gänzlich unpersönlichen Raum um. Hier hatte also Tore Michaelis, der Mann hinter der modernen schwedischen Sicherheitspolizei, seine Jahrzehnte bei der Säpo verbracht. Wenn er denn zu Hause war. Nichts verriet, dass er dort gesessen hatte, keine besonderen Spuren, keine Bilder an den Wänden, kein Teppich, nichts außer ein paar Ordnern in den Regalen. Der Schreibtisch, hinter dem der große Rudfeldt thronte, war ohne Zweifel ein antikes Stück – aber ohne irgendwelche persönlichen Merkmale. Er ahnte, dass es Rudfeldts eigener war.
    »War dies sein Schreibtisch?«, fragte er.
    »Dieser Schreibtisch befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Rudfeldt«, erklärte Rudfeldt stolz.
    »Was bedeutet, dass Michaelis’ Schreibtisch im Archiv steht?«
    »Das nehme ich an«, sagte Rudfeldt achselzuckend.
    »Mit wem hast du über ihn gesprochen?«
    »Mit seinen internationalen Kontakten.«
    »Sonst mit niemandem? Nicht mit persönlichen Freunden oder so? Nicht mit Verwandten?«
    »Wir arbeiten bei der Sicherheitspolizei«, sagte Rudfeldt, als sei das eine ausreichende Erklärung.
    »Damit meinst du …?«
    »Keine Freunde oder Verwandten, nein.«
    »Und die internationalen Kontakte hatten also nichts zu sagen?«
    »Sie quatschten darüber, wie tragisch es sei, dass ein so waschechter Profi ins Gras beißen musste, betonten aber auch, dass man in der Branche mit so etwas rechnen müsse. So ein Unsinn.«
    »Und die Telefongespräche? Hast du sie überprüft?«
    »Klar. Er hatte nur ein Handy, und wir sind die ganze Gesprächsliste durchgegangen. Nichts außer dem, was zu erwarten war, Telefonate mit Kontakten und hier mit uns.«
    »Warst du bei ihm zu Hause?«
    »Ja«, sagte Rudfeldt. »Komischerweise wohnte er auf Södermalm. In einer anspruchslosen Wohnung in der Varvsgatan.«
    »Sieh mal an«, sagte Hjelm. »Gar nicht weit von der Slipgatan. Hast du da etwas gefunden?«
    »Kein bisschen. Es war gründlich geputzt. Sieh selbst nach.« Und damit reichte Rudfeldt ihm ein Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln.
    »Ich vermute, dies sind Kopien?«
    »Da vermutest du richtig«, antwortete Rudfeldt.
    »Okay«, sagte Paul Hjelm. »In den Ermittlungsunterlagen gab es keine richtige Schlussfolgerung. Was glaubst du selbst? Wohin ist er verschwunden?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, erklärte Rudfeldt. »Aber auf mich wirkt es so, als hätte er sich aus dem Staub gemacht.«
    Aus mehreren unterschiedlichen Gründen fand Paul Hjelm es jetzt an der Zeit, Rudfeldt zu verlassen. Folglich tat er das. Nach einigem Wenn und Aber gelang es ihm, den Weg zum internen Archiv der Säpo zu finden und die obligatorisch stumpfsinnige Wache hinter sich zu lassen. In einem großen, aber dunklen Raum stand tatsächlich Tore Michaelis’ Schreibtisch mit einer Anzahl von Kartons. Ganz oben in einer der Kisten lag eine Liste des gesamten Materials, das bei seinem Verschwinden am 3. August zurückgeblieben war. Es war jetzt Montag, der 28. August, und alles deutete darauf hin, dass die Säpo ihren internationalen Experten schon abgeschrieben hatte. Es gab ihn nicht mehr. Und es würde sicher nicht lange dauern, bis auch dieses Material verschwand. Genauso spurlos wie Tore Michaelis selbst.
    Hjelm sah die Sachen durch. Kein Kalender, keine Merkzettel mit relevanter oder auch nur rätselhafter Information. Eine große Anzahl offizieller Schreiben vom nächsten Mitarbeiter des Säpo-Chefs, Sune, die von internem Berichtswesen zu handeln schienen – und die Tore ungelesen auf einen Stapel gelegt zu haben schien. Außerdem fanden sich zahlreiche Schriften des Außenpolitischen Instituts sowie entsprechende internationale Schriften, vor allem von der UNO herausgegeben.

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