Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
arm dran. Dann hat sie richtig üble Schmerzen.«
Gewissenhaft notierte Elias sämtliche Medikamente. »Und Bärbel?«
»Also, darf ich Ihnen wirklich so einfach Auskunft geben?«
»Na ja«, sagte Elias.
Der Doktor verdrehte die Augen und erklärte: »Ich muss gerade mal raus. Bin aber in fünf Minuten zurück.« Mit einer unmissverständlichen Geste schob er die Unterlagen auf Elias’ Seite des Tisches. Elias wartete, bis er die Tür geschlossen hatte, dann suchte er sich Bärbels Akte heraus und anschließend die vom Rest der Familie.
Danach war er auch nicht schlauer. Außer dass er wusste, dass Bärbel tatsächlich regelmäßig ihr Knock-out-Medikament verschrieben bekam, damit sie schlafen konnte. Allerdings stand da nicht, ob sie es auch einnahm. Und wann. Das musste man bedenken.
Als er auf dem Weg zurück in die PI war, rief seine Mutter an. Elias klemmte sich das Smartphone zwischen Ohr und Schulter, während er einer Gruppe angeheiterter Touristinnen auswich, die ihm auf dem Promenadenweg am Hafen entgegenkamen und einen Kanon über einen Frosch sangen. »Nee, Mama, du störst gar nicht«, sagte er. »Was? Ich hör dich nicht … Nö, nee, die sind total nett, hab ich dir doch schon gesagt …«
Eine der Sorgen seiner Mutter bestand darin, dass seine Kollegen rüpelhaft zu ihm sein könnten. Was genau sie befürchtete, wusste er nicht, aber fest stand, dass sie nicht viel von Kriminalbeamten hielt. Alles verkappte Ganoven, die sich nicht trauten, selbst zu klauen, fand sie, und deshalb war sie auch nicht sonderlich begeistert über seine Berufswahl gewesen. Auch deshalb, weil sie seinetwegen ihre Karriere als Sängerin drangegeben hatte. Das war 1976 gewesen. Sie hatte in Braunschweig gerade am Staatstheater ihr erstes Solo gesungen, den Hirtenknaben aus Tosca, und hatte womöglich die Turandot in Aussicht gehabt. Und da war er mit seiner beginnenden Existenz richtig blöd hereingeplatzt. Seitdem, also sozusagen von Anfang an, hatte ihre Beziehung etwas Kompliziertes gehabt. Wenn er Cellist geworden wäre, hätte sie ihm das vielleicht vergeben. Jetzt wollte sie wissen, wie das Wetter in Hannover sei.
»Gut«, sagte Elias.
»Und warst du auch in dem Konzert von diesem David Garrett?«
»Hmm.«
»Und wie hat er gespielt? Er ist zu jung, finde ich, für echte Präzision. Ziemlich hochgejubelt von der Presse. War er sauber in den unteren …?«
»Mama, ich hör dich kaum.«
»Ich frage, ob er in den unteren Passagen …«
»Mama? Hallo, Mama?«
»In der Tiefe. Ob er in der Tiefe den vollen Klang …«
Mitten im Satz drückte er sie weg. Vielleicht war das gemein, aber er hatte sich noch nicht überlegt, wie er seiner Mutter den Umzug ins Ostfriesische erklären sollte. Und sie hatte sich eh schon daran gewöhnt, dass sein Smartphone einen schlechten Empfang hatte. Wahrscheinlich war er daran schuld, dass sie sich selbst noch keines zugelegt hatte.
Egal. Er musste jetzt erst mal überlegen, was er als Nächstes unternehmen wollte. Aber da war er schon bei der PI . Und von da an ging alles drunter und drüber.
Es fing damit an, dass er in sein Büro kam und Harm ihn anschnauzte, wo er denn bitte gewesen sei. Und warum bei einem Arzt? Und was, Himmelherrgott, half es weiter, wenn man wusste, was für Pillen die Kleine schluckte, wo sie doch vermutlich weitaus größere Probleme hatte und ihre Pillen, verflucht noch mal, wahrscheinlich gar nicht mehr brauchte! Und ob Elias sich vielleicht mal die Termine für die Teambesprechungen merken könne. Sie hatten nämlich vor zwei Stunden eine gehabt! »Und wenn du schon jemanden verhörst, dann will ich das protokolliert haben, damit ich drauf zurückgreifen kann!«
Er war also mächtig angefressen. Das war normal bei solchen Ermittlungen, keine große Sache. Weitaus blöder war, dass er Elias ein Protokoll von vor drei Tagen auf den Tisch knallte, auf dem nichts als Gitta Coordes’ Name und ein riesiges Fragezeichen eingetragen waren.
»Weißt du, was mir durch den Kopf geht?«, meinte Elias grüblerisch. »Ob Boris nicht doch mehr von dem buckligen Männlein weiß, als er uns verraten will.« Er zuckte zusammen, als Harms Faust auf den Tisch sauste – punktgenau auf das Protokoll. Das sollte wohl eine Botschaft sein. Na schön.
Elias fuhr seinen Computer hoch und suchte sich den Ordner mit den Formularen heraus. Als Harm aus dem Zimmer war, schrieb er noch rasch seine Überlegungen auf die gelben Klebezettel: sein Argwohn, ob Gitta vielleicht
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