Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Olly trotzdem, und Elias erhielt den Auftrag, am nächsten Morgen pünktlich zur Schicht anzutreten, weil Harm gemeinsam mit ihm Gitta Coordes mal richtig in die Mangel nehmen wollte.
»Mensch, was machst du denn da?«, fragte Harm, als er Stunden später das Licht in sämtlichen Büros löschte und dabei Elias auf dem Fußboden zwischen den beiden Schreibtischen und den Fenstern entdeckte.
Elias erwachte aus Träumen, in denen Olly und ihr durchsichtiger Pyjama eine ebenso zentrale Rolle gespielt hatten wie er selbst. Es war ihm einigermaßen peinlich, vor allem, weil er Schwierigkeiten hatte, seine Decke so rasch über den Körperteil zu ziehen, der sich als Actionheld des Traums hervorgetan hatte. In seinem eigenen Büro war das Licht natürlich ausgeschaltet gewesen, keine Ahnung, wieso Harm seine Nase reinsteckte. Aber nun machte er die Festbeleuchtung an und ließ sich auf Heddas Schreibtischstuhl plumpsen.
»Das geht so nicht, Elias«, stöhnte er. »Wir sind kein Campingplatz. Du musst das einsehen.«
Elias rappelte sich auf. In Hannover hatte er oft in seinem Dachgeschossbüro übernachtet. Er vermisste es schmerzlich. Nicht einmal die Putzfrauen hatten ihn dort gestört. Ein eigenes Reich, in dem er handeln konnte, wie er wollte. Ein Stück Freiheit. Er schob sich und seinen kleinen Helden, dessen Übermut glücklicherweise bereits erschlaffte, traurig hinter den Schreibtisch.
Harm machte ein strenges Gesicht. »Ich schätze deine Arbeit, ehrlich«, begann er.
Elias’ Mut sank. Niemand betont, dass er es ehrlich meint, wenn er es ehrlich meint. Offenbar war bei Harm eine Grenze erreicht. Sie schwiegen einander an. Harm lenkte den Blick zum Fenster. Es war tiefste Nacht. Die Stimmung ähnelte der beim letzten Gespräch mit Brotmeier.
Elias fasste sich ein Herz. »Es läuft nicht gut?«
»Na ja …«
»Hedda würde das Büro gern mit jemand anderem teilen?«
»Quatsch, so auch wieder nicht.«
»Ich bin kein Gruppenmensch«, gestand Elias ein, was offensichtlich war.
»Ach was.« Harm seufzte. »Du kannst nur hier nicht übernachten. Wenn du so weitermachst, landest du noch auf den Inseln.«
In Elias’ Phantasie blitzte ein Eiland auf, Robinson-Crusoe-Ambiente, viel Sand, wenig Bäume, schroffer Fels, einige Affen und Touristen und mitten auf dem Strand ein Plastikklappstuhl und eine Fahne mit der Aufschrift POLIZEI . Er seufzte ebenfalls. »Ich suche mir ein Zimmer.«
»Heute Nacht findest du aber keins mehr.«
Am Ende luden sie Elias’ Reisetasche in Harms Auto und fuhren nach Greetsiel an die Küste, wo Harm wohnte. Elias erfuhr, dass sein Chef aus einer Fischerfamilie stammte. Krabbenfischer. Sein Vater war einer, sein Großvater ebenfalls und sein Urgroßvater, als er noch lebte … na ja. Ging bis auf Störtebeker zurück, angeblich. Schöne, traditionsreiche Geschichte. Aber ziemlich öde, wenn man sich nichts aus Krabben machte. So hatte Harm sich beizeiten losgesagt und bei der Polizei angefangen.
Imogen, seine Lebensgefährtin, stammte ebenfalls aus Greetsiel und war das Beste, was ihm in seinem Leben widerfahren war. Sie wollten heiraten, irgendwann. Kinder hatten sie schon, weil Imogen zwei mit in die Beziehung gebracht hatte. »Letztes Jahr habe ich mit meinen Cousins zusammen für uns ein kleines Häuschen gebaut – kriegt man alles hin, so ein geregeltes privates Glück, wenn man nur zupackt und auf Linie bleibt«, erklärte Harm, während draußen Bauerngehöfte vorbeitrieben wie Schiffe auf dem einsamen Ozean. »Frauen sind gar nicht so kompliziert, wie man denkt, Elias. Nimm zum Beispiel unsere Staatsanwältin, Olly. Die will einfach immer geradeheraus wissen, was Sache ist. Also muss man offen mit ihr sein. Und sie mag es nicht, wenn Menschen sich nicht festlegen. Sie mag es schon gar nicht, wenn man ihre Gefühle nicht ernst nimmt, kapierst du?«
»Sie hatte einen durchsichtigen Pyjama an«, sagte Elias.
Harm nickte. »Das meine ich. Olly scheint was an dir gefunden zu haben. Nun will sie mehr. Und da ist der Punkt, an dem du noch mal nachhaken müsstest. In dir selbst, meine ich. Du musst deine eigenen Gefühle erforschen.«
Elias nickte. Er fühlte sich mit einem Mal seltsam beschwingt. Es tat gut, sich mit jemandem auszusprechen. Gruppe,dachte er, und das Wort bekam plötzlich einen anderen Klang. Er und Harm. Zwei Kameraden, die einander verstanden.
Sie schwiegen, bis sie Greetsiel erreichten. Es war ein netter, kleiner Ort mit einigen Mühlen, einem
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