Byrne & Balzano 02 - Mefisto
einen in den Rücken und einen ins Gesicht, und dann löste sich der Schuss. Der Verdächtige floh in die Gasse und ließ die Waffe zurück.
Eine Befragung der Anwohner im Umkreis der Gasse ergab nichts. Niemand hatte etwas gehört oder gesehen. Aber jetzt hatte die Polizei eine Waffe, und dadurch eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten, denn Waffen hatten ebenso wie Menschen eine Geschichte.
***
Als Mateo den auf Videokassette aufgezeichneten Film Die Teuflischen digitalisiert hatte, versammelten sich zehn Detectives in der Audio-Videoabteilung. Der französischsprachige Film dauerte 122 Minuten. An der Stelle, als Simone Signoret und Vera Clouzot Paul Meurisse ertränkten, gab es eine kurze Störung. Als die eingefügten Szenen begannen, war ein schmutziges Badezimmer mit einer grauen Decke und schmuddeligen Klamotten auf dem Boden zu sehen. Von den Wänden blätterte der Putz, und neben der dreckstarrenden Toilette lag ein Stapel Zeitschriften. Eine nackte Glühbirne neben dem Waschbecken spendete schummriges Licht. Eine große Gestalt auf der rechten Seite des Bildes drückte das um sich schlagende Opfer mit kräftigen Armen unters Wasser.
Die Kamera bewegte sich nicht. Vermutlich stand sie auf einem Stativ oder Ähnlichem. Bisher wies nichts auf einen zweiten Täter hin.
Schließlich blieb das Opfer reglos im trüben Wasser in der Badewanne liegen. Der Killer nahm die Kamera in die Hand und filmte eine Nahaufnahme. An dieser Stelle stoppte Mateo Fuentes den Film.
»Mein Gott!«, rief Byrne.
Aller Blicke wandten sich ihm zu. »Kennst du den Mann?«, fragte Jessica.
»Ja«, sagte Byrne. »Ich kenne ihn.«
***
Darryl Porters verkommene Wohnung über der X-Bar passte gut zu dem miesen Typen. Alle Fenster waren angestrichen, und die heiße Sonne, die auf das Glas schien, sorgte dafür, dass es in der kleinen Wohnung bestialisch stank.
Das Mobiliar bestand unter anderem aus einer alten grünen Schlafcouch mit einem schmuddeligen Betttuch und zwei durchgesessenen Sesseln. Der Fußboden, die Tische und die Regale waren mit fleckigen Zeitschriften und Zeitungen übersät. In der Spüle stand das verkrustete Geschirr eines Monats, in dem sich mindestens fünf verschiedene Arten aasfressender Insekten tummelten.
In einem Bücherregal über dem Fernsehgerät standen drei versiegelte DVDs von Philadelphia Skin.
Darryl Porter lag vollständig angezogen und mausetot in der ekelhaften Brühe der Badewanne. Seine Haut war schrumpelig und hatte sich grau verfärbt. Seine Gedärme hatten sich entleert, und der Gestank in dem kleinen Badezimmer war unerträglich. Zwei Ratten hatten sich bereits über den aufgedunsenen Leichnam hergemacht.
Der Filmemacher hatte jetzt vier Menschen auf dem Gewissen – zumindest vier, über deren Ermordung die Polizei im Bilde war. Sein Vorgehen wurde immer kühner. Es war die klassische Eskalation, und niemand konnte vorhersagen, was er als Nächstes plante.
Als die Spurensicherung ihre Vorbereitungen traf, um einen weiteren Tatort unter die Lupe zu nehmen, standen Jessica und Byrne vor der X-Bar. Sie sahen beide ziemlich mitgenommen aus. In dieser Situation, da ein grausamer Mordfall den anderen jagte, wussten beide nicht so recht, was sie sagen sollten. Psycho, Eine verhängnisvolle Affäre, Scarface, Die Teuflischen. Was hatte der Filmemacher wohl noch auf Lager?
Jessicas Handy klingelte und brachte die Antwort.
»Detective Balzano.«
Es war ein Anruf von Sergeant Nate Rice, dem Chef der Ballistik. Er hatte zwei Neuigkeiten für die Sondereinheit. Bei der Waffe, die sie hinter dem haitianischen Geschäft gefunden hatten, handelte es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um dieselbe Marke und dasselbe Modell wie bei der Waffe in Eine verhängnisvolle Affäre. Die zweite Neuigkeit war schwerer zu verdauen. Sergeant Rice hatte soeben mit der Spurensicherung gesprochen. Sie hatten eine Übereinstimmung. Rice nannte den Namen.
»Was?«, rief Jessica. Sie wusste, dass sie sich nicht verhört hatte; dennoch hatte sie Schwierigkeiten, die Information zu verarbeiten.
»Das habe ich auch gesagt«, meinte Rice. »Aber es ist eine hundertprozentige Übereinstimmung.«
Eine hundertprozentige Übereinstimmung bedeutete im Polizeijargon: Name, Adresse, Sozialversicherungsnummer und Highschool-Foto. Wenn es eine hundertprozentige Übereinstimmung war, hatten sie ihren Mann.
»Und?«, fragte Jessica.
»Es gibt nicht den geringsten Zweifel. Der Fingerabdruck auf der Waffe stammt von Julian
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