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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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unangenehm. Millionen von Spinnen dürften da drinnen gehaust haben, und die Hälfte von ihnen zertrat und zerdrückte ich sicher, als ich nach vorn krabbelte, denn in einer der Stufen war ein kleines Loch, von dem aus man den ganzen Saal im Blick hatte. Mein Freund Markos kam in den Saal und schaute sich um, doch ihm folgten Menschen in Lumpen. Sie sahen so in Wirklichkeit aus wie die Menschen auf meinen Zeichnungen. Du weißt doch, die, bei denen ich Gebrechen des Körpers und Hässlichkeiten im Gesicht übertrieben habe. Sie schleppten Holz herbei, das sie anzündeten, in Fässern Fusel, den sie tranken, und raubten Markos die Kleider. Er sollte für sie tanzen. Wenn er sich brav anstellen würde, dann würden sie ihn zu seiner Mutter zurückbringen. Und Markos tanzte bis zur Erschöpfung und darüber hinaus. Immer wieder trieben sie ihn mit Drohungen und Versprechungen an – und ich blieb in meinem Versteck. Die Nacht brach herein. So, sagte einer der Männer, jetzt bringen wir dich nach Hause. Lange blieb ich in meinem Versteck, aus Angst. Dann wurde mir klar, dass ich fliehen musste, bevor sie zurückkommen würden. Es war nicht leicht, meine Glieder waren ganz steif, und alles schmerzte, aber mich trieb die Angst. Am ausgehenden Feuer lagen immer noch die Kleider meines Freundes. Die Nacht war kalt und finster. Hinter den Wolken hatten sich Mond und Sterne versteckt. Zu Hause angekommen, schwieg ich, log ich, weil ich mich schämte, schließlich prügelte mein Vater die ganze Wahrheit aus mir heraus. Ach, hätte ich doch nur gleich geredet! Mein Vater nahm seinen Säbel, rief all seine Leute herbei und trommelte Kapitäne, Matrosen und Händler zusammen. Mich nahm er mit. Wir kamen zu spät. Die Männer vom Alten Palast hatten Markos benutzt, um ins Haus einzudringen. Sie haben alle getötet, auch meinen Freund Markos, dann nahmen sie alles mit, was sie tragen konnten, Wertgegenstände, Kleidung und Nahrung. Das Gesicht meines Vaters vereiste.
    ›Kommt‹, sagte er dumpf. Mehr nicht. Aber alle, auch ich, sogar ich, wussten, was das ›Kommt‹ bedeutete. Nie in meinem Leben werde ich den Ausdruck in seinem Gesicht vergessen. Sie eilten zum Alten Palast. Keiner sprach ein Wort, sie trieb der Zorn. Als wir in dem Saal standen, dem ich erst vor Kurzem entronnen war, fragte mich mein Vater, ob das die Männer wären, die Markos hatten tanzen lassen. Ich blickte auf die Gestalten, die, in ihrem Gelage unterbrochen, verwundert oder ängstlich zu uns schauten. Einer versuchte, mir ein Zeichen zu geben, ich solle schweigen. Ich schwieg nicht. Ich sah meinen Freund, dem sie die Kehle durchgeschnitten hatten und der mich aus toten Puppenaugen anstarrte, und sagte laut und vernehmlich wie ein Richter, der einen Schuldspruch fällt: Ja, das sind sie. Es dauerte nicht lange, dann waren sie tot, ausnahmslos, auch die Frauen unter ihnen. Wäre ich eher losgerannt aus meinem Versteck und hätte meinen Vater nicht erst angelogen, sondern gleich die Wahrheit gesagt, hätte die Nacht weniger Tote gesehen.
    Ich fiel in eine große Traurigkeit. Mein Vater entschied, dass mir die Flausen ausgetrieben gehörten. Er gab mich auf eins seiner Schiffe als Schiffsjunge in die Obhut eines harten, aber gerechten Mannes. Er hat mir die Flausen ausgetrieben, ich habe viel von ihm gelernt. Auch dass das Malen Gift für die Tatkraft eines Mannes ist, doch in dieser Welt müssen Männer tatkräftig sein. Sie müssen es für ihre Frauen und ihre Kinder, denn es ist eine schlimme Welt. Ich war wie Demetrios, und Demetrios sollte so werden wie du. Als ich Angst hatte, dich zu verlieren, stürzte ich in die Erkenntnis, dass er nie so werden wird wie du, nicht einmal so, wie ich geworden bin. Heute weiß ich, warum. Weil er stärker ist in seiner Eigenart, als ich es jemals war. Ich habe Sehnsucht nach ihm, Loukas. Hol ihn zurück.«
    »Du hast recht, Vater. Es ist Zeit, dass er nach Hause kommt!«

14
    Palast des Sultans, Edirne, Anatolien
    Eines hatte Jaroslawa erreicht: Sie selbst, und nicht die Amme Daje-Chatun, ernährte mit der Milch ihrer Brüste ihren Sohn. Kaum hatte damals der Sultan mit der Amme den Raum verlassen, um ihr seine Anweisungen zu erteilen, legte die Russin das Neugeborene an ihre Brust. Als die Amme zurückkehrte und das Kind an der Mutterbrust entdeckte, schrie sie in ihrem Zorn den Eunuchen an, er solle der Mutter den Sohn von der Brust reißen. Hasan, ein noch sehr junger Eunuch mit ungewöhnlich weißen Haaren, trat

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