C14-Crash
das vor Grönland absinkt, über die Weltmeere (...). Zum
Ausgleich strömt warmes Oberflächenwasser im Atlantik nordwärts. Die von
ihm transportierte Wärme hat große Auswirkungen auf das Klima in den angren-
zenden Regionen (...)« [Broecker 1996; Graphik aus Broecker 1992].
Da Pazifik und Nordatlantik völlig unterschiedliche Strömungsverhältnisse
aufweisen [vgl. Maier-Reimer 1996, 25], ist davon auszugehen, daß auch die
Wechselwirkung mit der Atmosphäre hinsichtlich des C14-Gehaltes sehr unter-
schiedlich ausfäl t. Angesichts der Stärke der Produktions- bzw. Flußschwankun-
gen, die für die Erzeugung der empirisch bekannten »wiggle« aufgebracht wer-
den müssen, sind global gesehen C14-Schwankungsmuster völlig unterschiedli-
cher Art zu erwarten. Ein Vergleich dieser Muster ist dann nicht mehr möglich.
Das transatlantische »wiggle-matching« für die Europäischen Eichenchronologien
hat in die Irre geführt.
9. Der radiometrische Tunnel – Kalibrieren? So nicht!
347
Diese Annahme wird beispielsweise durch das großräumige Strömungs-
verhalten innerhalb der Ozeane nahegelegt, das zeitlichen Änderungen unter-
liegt und damit – durchaus örtlich begrenzt – einmal jüngeres, das andere Mal
wiederum älteres Wasser an die Oberfläche bringen kann und damit immer
wieder Ungleichgewichte gegenüber der aktuellen Atmosphärenzusammen-
setzung hinsichtlich C14 hervorruft. Die damit verbundenen Ausgleichs-
prozesse schreiben eine Geschichte der atmosphärischen C14-Konzentration,
die die ausgewiesene mittel- und langfristige Stationarität in den bekannten
Kalibrierkurven konterkariert.
Ist das an die Oberfläche kommende Wasser arm an C14 (weil der letzte
atmosphärische Austausch relativ lange zurückliegt und der einstmalige Be-
stand durch radioaktiven Zerfall im Laufe der Zeit entsprechend dezimiert
wurde), so verarmt die Atmosphäre mehr oder weniger schnell an C14 – je-
denfalls schneller als durch radioaktiven Zerfall allein –, indem mehr C14 in
den Ozean diffundiert als umgekehrt. Ist das an die Oberfläche kommende
Wasser hingegen stark mit C14 angereichert, so tritt der umgekehrte Effekt
auf. Das Bild 9.10 veranschaulicht das globale Strömungsbild in den Ozea-
nen. Es ist unmittelbar klar, daß die atmosphärische Zusammensetzung auf
diese Weise sehr stark an Änderungenglobaler Strömungsmuster gekoppelt
ist – und daß der »Fahrplan« für diese Änderungen in den Strömungsmustern
auch nicht in herkömmlicher Weise über C14 datiert werden darf (vergleiche
Peng [1989]).
Unterschiedliche Modelle für den Zustand der Ozeanströmungen sind
auch im Hinblick auf die Änderung der C14-Konzentration der Atmosphäre
gerechnet worden [Meier-Reimer/Mikolajewicz 1989; Stocker et al. 1992; Wright/Stocker
1993; Lehman et al. 1993]. T.F. Stocker und D.G. Wright betonen die sensible
Abhängigkeit der C14-Uhr von einer Änderung des Isotopeninhalts der Ozea-
ne: »Um die Geschwindigkeit der Radiokarbonuhr um 100% zu ändern, be-
darf es einer Änderung im C14-Inventar der Ozeane lediglich um wenige
zehntel Promille« [1996, 776]. In Bild 9.11 wird der quantitative Zusammen-
hang noch einmal aufgeschlüsselt. Die beiden Autoren betonen allerdings,
daß trotz drastischer Änderungen im Zirkulationsverhalten nur »sehr maßvol-
le« Änderungen im Isotopengehalt der Ozeane errechnet würden. Wir stellen
allerdings fest, daß die Modelle stets erst über einen Zeitraum in der Größen-
9.10
ordnung von 12.000 Jahren in einen stationären Zustand relaxiert werden
müssen, um überhaupt zu interpretationsfähigen Ergebnissen zu kommen.
Die gegenseitige Zügelung der Zu- und Abflüsse in einer Weise, daß am
Ende ein annähernd stationäres Gleichgewicht durch den nur als i-Tüpfelchen
zu bezeichnenden radioaktiven Zerfall zustande kommt, ist nicht zu erwarten.
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C14-Crash
9.11 Zeitdilatationen
Die obere Kalibriergerade, die unter permanenter Anreicherung von C14 ent-
steht und entsprechend steiler als die für stationäre Verhältnisse stehende Gera-
de ist, hätte zwar dramatische Auswirkungen auf etwaige C14-Datierungen –
C14-Alter müßten nunmehr halbiert werden, um das richtige Absolutdatum wie-
derzugeben –, käme jedoch unter ausgesprochen moderaten Vorgängen in der
Natur zustande. Innerhalb der betrachteten 1.000 Kalenderjahre hätte es eine
Anreicherung der Atmosphäre mit C14 um lediglich 12% geben müssen. Stocker
und
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