Cadence Jones ermittelt - Davidson, M: Cadence Jones ermittelt
würde bis zum 15. Dezember Shorts oder Röcke tragen. Das war ein Spleen von ihr. Sie pflegte zu sagen, der Winter komme nur deswegen, weil die Menschen es glaubten. Sie wollte immer alle dazu bringen, sich in der Weihnachtszeit so zu kleiden wie zum vierten Juli. Bis jetzt hatte das allerdings noch nicht geklappt. Das Einzige, was es mir eingebracht hatte, war eine Frostbeule. (Cathie sagte, die hätte ich mir darum eingehandelt, weil ich eine Ungläubige sei, aber in dem Augenblick sprang Shiro mir bei und gab ihr zu verstehen, es liege daran, dass wir in der nördlichen Hemisphäre lebten und der Dezember einer der kältesten Monate des Jahres sei. Und sie schloss die Belehrung damit ab, dass sie Cathie fast eine gescheuert hätte.)
Wie ihr Name schon vermuten ließ, hatte Cathie Flannery kupferrotes Haar, Sommersprossen und braune Augen. Sie war schlank und zierlich und reichte mir gerade bis ans Kinn. Was ihr an Körpermasse fehlte, machte sie jedoch durch ihre Energie wett. Wen sie einmal umarmt hatte, der vergaß diese Erfahrung nie.
»Das Haus ist doch makellos«, versicherte ich ihr – wobei ich nur hoffte, sie würde nicht sämtliche Ziegel der Fassade mit einer in Mörtel getauchten Zahnbürste bearbeiten. »Es wird ihm sehr gefallen.«
»Ist mir egal, ob es ihm gefällt«, behauptete Cathie, warf den Kopf zurück und pustete sich die Haare aus den Augen. »Ich putze für mich , nicht für ihn.«
Aber klar machst du das . Ich wusste allerdings, dass ich das besser nicht laut sagte.
»Erzähl!« Sie setzte sich auf die Arbeitsplatte und ließ ihre zierlichen Füße – frisch pedikürt und orange lackierte Zehennägel, igitt! – baumeln. »Hat sich was Schräges auf der Arbeit ereignet? Schräger als gewöhnlich, meine ich? Hat deine Chefin beim Morgenmeeting Kartoffeln zu Julienne verarbeitet?«
Ich musste kichern. »Nein, das hat sie sich bis zum Nachmittag aufgehoben. Ich musste einen Gefangenentransport überwachen, am Nachmittag zu einem Tatort und danach hatte ich eine Sitzung bei Dr. Nessman. Äh, nein: Shiro hatte eine Sitzung.«
Cathie machte große Augen. »Shiro ist auf der Arbeit aufgetaucht?«
»Adrienne auch«, gestand ich bedrückt. Es hatte keinen Sinn, solche Dinge vor Cathie geheim zu halten: Am Ende holte sie ja doch alles aus mir heraus.
»Meine Güte! Beide an einem Tag! Das muss ja … « Das Läuten der Türglocke hallte durchs Haus, also hüpfte sie von der Theke herunter. »Das muss ja grässlich unangenehm gewesen sein«, sagte sie über die Schulter, schon auf dem Weg zur Tür. »Später will ich auf jeden Fall noch alle blutigen Einzelheiten hören.«
Ich blieb in der Küche, da ich annahm, dass sie den Bruder, den sie so selten sah, erst einmal in Ruhe begrüßen wollte. Er war einige Jahre älter, konnte gut backen und führte sein eigenes Geschäft – mehr wusste ich noch nicht von ihm.
»Cade, ich möchte dir meinen großen Bruder vorstellen, Patrick. Patrick, das ist meine Freundin Cadence.«
Oho. Jetzt wusste ich doch noch etwas über ihn. Er war hinreißend . Patricks Haar war so dunkelrot, dass es fast schwarz wirkte – den rötlichen Schimmer konnte man nur erkennen, wenn er neben einer Lichtquelle stand. Wie Cathie hatte er schokoladenbraune Augen, aber da waren die Ähnlichkeiten auch schon zu Ende, denn er überragte sie mit Turmeshöhe – ich schätzte ihn auf einen Meter neunzig. Er trug knielange Khaki-Shorts und ein Oxford-Hemd, während seine großen, behaarten Füße in Ledersandalen steckten.
»Hi«, grüßte er mich und streckte die Hand aus. Ich war so überwältigt von seinem guten Aussehen, dass ich ein paar Sekunden brauchte, um zu begreifen, dass er mir offenbar die Hand schütteln wollte. Und als ich dann endlich seine Hand ergriff, war ich mir meiner feuchten Handfläche peinlich bewusst. Warum sprang Shiro niemals in die Bresche, um mich vor einer Demütigung zu retten? Sie tauchte immer nur dann auf, wenn ich mich einer Gefahr erwehren musste.
»Hi.«
»Es ist schön, Sie endlich kennenzulernen. Schwesterchen redet ja andauernd von Ihnen.«
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, und schaute auf meine Füße. »Ach, tja, wie das so ist«, sagte ich sowohl selbstironisch als auch völlig idiotisch.
»Unser rätselhaftes, gleichwohl aber … faszinierendes Telefongespräch hat mir sehr gefallen.«
»Äh – hm?« Dieser Mann? Dieser hinreißende Gott mit dem kastanienfarbenen Haar hatte mit mir telefoniert? Und mit
Weitere Kostenlose Bücher