Caesar erwacht!
es ihr nicht verübeln, dass sie ganz in Gedanken versunken auf dem Rücksitz hockte, ohne die herrliche Landschaft um sich herum wieder in Augenschein zu nehmen. Sovrano war der merkwürdigste Mensch, der ihr je begegnet war. Und ihr waren aufgrund ihres Berufes so manche seltsamen Zeitgenossen, auch Filmleute, über den Weg gelaufen. Zeitgenossen?
Bei diesem Wort stutzte sie und lenkte ihre Gedanken wieder in die zuvor aufgenommene Richtung.
Lächerlich! Nein das kann doch nicht …! Was für eine irrwitzige …! Andererseits … Denk nicht wie ein moderner Mensch! Denk wie ein Homo Sapiens einer antiken Epoche! Kriege werden von Hand ausgefochten. Im Zweikampf muss man seinem Gegner immer in die Augen sehen und sich seine Feinde um Armeslänge vom Halse halten. Der hohe Adrenalinausstoß bei Kämpfen versetzt einen regelrecht in einen Blutrausch. Territorien erobern die Volksanführer oft persönlich. Menschen benötigen ungeheure Persönlichkeit und Durchsetzungskraft, um all dies zu bewirken. Führer sind wirkliche Anführer. Keine Satelliten, keine Telefone, keine Medien, kein Schießpulver, keine Fahr- oder Flugzeuge als Hilfsmittel. Antiker sind elementarer. Und sicher auch emotionaler! Gefühle wie Hass, Wut, Scham, Liebe, Lust werden nicht so stark unterdrückt wie heute. Auge um Auge, Zahn um Zahn werden noch ausgelebt und bestimmen den Alltag.
Und plötzlich, nach deinem Tode, wachst du in unserer modernen Welt auf. Nichts ist mehr wie vorher. Du bist alleine. Hunderte, tausende Jahre sind vergangen. Du suchst deine Welt, aber findest nur seltsame Wesen vor, die beängstigende Maschinen erschaffen haben. Deren Kultur nicht auf deinen alten Werten aufgebaut ist. Allein das Streben des Menschen hat sich nicht geändert. Was tust du? Hochintelligent, wie du bist! Du erschaffst dir im Rahmen deiner Möglichkeiten deine alte Welt neu. So gut es geht. Filmsoldaten? Britannisch? Druiden gab es schon vor 2000 Jahren? Römische Kleidung, Sklaven als Hausdiener? Eine faszinierende Frau wieder auferstanden? Oh … mein … Gott …!!!
Nicoles Gedanken hätten schwindelerregender nicht sein können. Alles passte zusammen. Sogar seine Reaktion auf das Wort „Klone“ und den Römer aus Gowans Vision.
War er es doch? Entgegen seinen Büsten, die man in vielen Museen bestaunen und in Andenken-Lädchen in Rom erstehen konnte, waren seine Haare ganz kurz, nicht lockig, die Züge insgesamt feiner und sein Mund sensibler und belustigter. Sollte so der Imperator Roms, Bezwinger Galliens und Britanniens aussehen? Ausgesehen haben? Nicoles Gedanken überschlugen sich förmlich. In dieser Situation nachvollziehbar.
Klonen bedeutet Duplizieren einer Zelle. Es entsteht so ein genaues Abbild. Nicht mal menschliche Zwillinge sind sich ähnlicher. Man ist man selbst. Jos Worte. Ist er er selbst?
Nicole kam gar nicht auf die Idee, dass einer der unzähligen anderen römischen Herrscher vor ihr gestanden haben könnte. Sie war tief in ihren Erwägungen versunken. Der Bentley hielt vor ihrem Hotel an.
Nicole reagierte nicht, als der Chauffeur die Türe zum Ausstieg aufhielt. „Signora? Möchten Sie aussteigen?“
Jetzt erst bemerkte sie, dass sie wieder in der realen Welt angekommen war. Sie stieg aus, nickte dem Fahrer gedankenverloren zu und ging auf das Hotelportal zu.
Jo kam ihr schon entgegengestürzt. Er musste den ganzen Tag am Fenster verbracht haben, um die Rückkehr seiner Herrin und Meisterin ja nicht zu verpassen.
Diese war jedoch in einer äußerst seltsamen Stimmung. Obwohl Jo Nicole wie immer mit Fragen überhäufte, wehrte sie erst mal ab. Nur zwei Fragen wurden von ihr beantwortet: „Nein, er sucht keinen Filmstoff. Ja, er ist was Besonderes.“
Sonst war momentan nichts mehr aus ihr herauszukitzeln. Sie verlangte nur energisch nach einem Kaffee.
Jo führte die Bestellung aus und setzte sich Nicole gegenüber aufs Sofa. Dann betrachtete er sie treuherzig, aber ungeheuer aufgeregt. Dabei wippte er auf seinem Platz hin und her. Nicole trank erst mal eine Tasse Kaffee, und nach einer für Jo unerträglich langen Zeitspanne stellte sie ihm die wohl ungewöhnlichste Frage, die ein Theologe je zu hören bekam: „Joachim Hansen, glaubst du an Gott?“
Vor lauter Erstaunen hatte er nicht die Antwort parat, die ein Theologe automatisch von sich geben sollte. „Wie meinst du das?“, stammelte er.
„Wenn ich richtig liege, mit meiner bescheidenen Vermutung, muss ab heute die
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