Café Luna: Verbotenes Glück
er sie an und klopfte ihr schließlich spontan und ein wenig linkisch auf die Schulter. „Ich weiß, das ist nicht Ihre Art – so in den Angelegenheiten anderer herumzuschnüffeln. Halten Sie sich einfach vor Augen, dass es um die Existenz der Firma geht. Und wenn Sie diese beiden Herren schon mal ausschließen könnten, hilft uns das ja auch weiter!“
Luisa nickte in Gedanken versunken. O weh. Nicht nur, dass sie sämtliche Texte durchscannen müsste, nein, sie würde auch, ohne es zu wollen, womöglich private Konversationen zwischen Konstantin und seiner Familie lesen müssen. Was, wenn dort irgendetwas über Maren stand? Ob sie das ertrüge? Aber leider gab es sonst niemanden, dem sie diese Aufgabe übergeben könnte. Einen Moment schloss sie die Augen. Herr Bongart allerdings missverstand das ganz offensichtlich als Zeichen für Unmut und verteidigte sich schnell: „Schauen Sie, Luisa, ich weiß ja nicht, wem ich das sonst geben kann. Glauben Sie mir, ich sitze auch noch eine ganze Weile hier fest – unser Herr Geschäftsführer hat offensichtlich eine sehr laxe Art, seinen Spamfilter einzustellen, und bei einigen vorübergehend ausgestellten Accounts habe ich … nun ja, sagen wir sehr private Rechercheergebnisse gefunden.“
Luisa musste grinsen. Gequält verzog der IT-Chef jede einzelne seiner Sorgenfalten und erinnerte stark an diese eine Hundesorte, von der Ben neulich geredet hatte – die, die erst noch in ihr Fell hineinwachsen musste.
„Entschuldigen Sie, ich fürchte, Sie haben mich missverstanden“, beeilte sie sich daher zu sagen und lächelte ihm aufmunternd zu. „Ich habe …“ Luisa zögerte, die Wahrheit wollte sie ihm nicht gerade auf die Nase binden. Deswegen schloss sie etwas hilflos. „… ich musste gerade an etwas anderes denken.“ Doch das schien Herrn Bongart als Erklärung völlig ausreichend. Er nickte ihr freundlich zu.
Nachdem ihr Kollege den Raum endgültig verlassen hatte, schnappte Luisa sich Daniels Akte. Konstantins würde sie sich so lange wie möglich ersparen!
Luisa lief nachdenklich durch den dunklen Büroflur. Sie war mal wieder die Letzte. Hier und da hatte jemand vergessen, das Licht zu löschen, anscheinend vertrauten alle darauf, dass der Sicherheitsdienst schon darauf achten würde. Die Tür zu Konstantins Büro stand offen, ein seltsames Licht schimmerte hinaus. Luisa blieb stehen und lauschte, doch nichts war zu hören. Saß er dort womöglich alleine? Für einen Moment zögerte sie. Doch dann siegte ihre Sehnsucht. Wenigstens einen kurzen Blick auf ihn würde sie werfen! Und dann – mal sehen. Mit angehaltenem Atem betrat sie das Vorzimmer. Der Tisch seiner Sekretärin war wie immer von tadelloser Akkuratesse. Jeder Bleistift zur tödlichen Mordwaffe gespitzt, jeder Stift parallel zum nächsten ausgerichtet, der Brieföffner im 90-Grad-Winkel daneben. Sie hatte sogar ein Deckchen über ihre jetzt verwaiste Tastatur gebreitet! Langsam ging Luisa weiter und klopfte leise an Konstantins Tür. Ihr Herz raste.
„Hallo? Jemand hier?“
Keine Antwort, nur das stetige Summen des Monitors. Mit drei Schritten war Luisa um den Schreibtisch und stand vor Konstantins Computer. Das war es also. Sein Bildschirmschoner zeigte ein Aquarium. Das Licht schimmerte grünlichblau, dazwischen schwebten bunte Fische. Luisa bewegte die Maus und sah zu, wie das Unterwasserbild verschwand und stattdessen mehrere bereits geöffnete Dokumente erschienen. Konstantin – das genaue Gegenteil seiner Sekretärin! Totales Durcheinander auf dem Schreibtisch – vermutlich ebenso wie in seinen Gedanken. Kein Wunder, dass er vergessen hatte, seinen Computer zu schließen. Ein Dokument nach dem anderen klickte Luisa weg und loggte ihn aus. Dieser Chaot! Wehmütig fuhr sie den Computer runter und warf einen letzten Blick in den Raum. Ganz offensichtlich war Konstantin momentan ziemlich durcheinander. Ebenso wie sie.
In Gedanken verließ sie die Firma. Vermutlich wäre sie, ohne einmal den Blick zu heben, bis zur U-Bahn gelaufen, ach was, bis zu ihrer Mutter, mit der sie heute Abend zum Essen verabredet war, wenn Johann Rieger sie nicht wieder in die Gegenwart zurückgeholt hätte. „Fräulein Vogt?“ Der Pförtner stockte. Beinahe hätte er sie Fräulein Hansen genannt! Vermutlich, weil er inzwischen fast täglich mit Eleonore Hansen zusammen war. Die Patriarchin sah er öfter als irgendjemand sonst aus der Firma, auch wenn er täglich beobachten konnte, wer ein und wer aus ging.
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