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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Grinsen verging allmählich und er drehte sich weg. Nur wenige Männer ertragen den verächtlichen Blick einer Frau.
    Marjorie kniete hemmungslos weinend auf dem Boden und hielt die beiden kleinen Jungen umklammert. Der Polizist ging zu ihr, nahm ihren Arm, half ihr auf die Beine und sagte ruhig: »Kommen Sie, Mutter, hier können Sie nicht bleiben.«
    Marjorie stand auf und die Kinder zogen sich still hinter den Stuhl im Schlafzimmer zurück. Sie stöhnte vor Verzweiflung und ließ sich von dem Polizisten zur Tür führen. Sie stolperte als gebrochene Frau hinaus und sah zwanzig Jahre älter aus als bei ihrem Eintreffen. Als man sie durch die Menschentraube an der Tür begleitete, hörte man viele mitleidige Stimmen.
    »Ach, die Arme.«
    »Es is eine Schande.«
    »Da kann man nur Mitleid haben, nich?«
    »Was is der für’n Schuft.«
    »Es is ne echte Schande, aber ehrlich.«
    Sie wurde bis zum Block »Ontario« begleitet, und ich kehrte zum Nonnatus House zurück, wo ich in der folgenden Nacht viel nachzudenken hatte.

Das Fahrrad
    Welch stahlharter Kern sich in einer Fortescue-Cholmeley-Browne verbirgt, wurde uns während der beiden folgenden Wochen klar, als Chummy die Kunst des Fahrradfahrens erlernte. Nach dem Unfall hatte Schwester Julienne ernste Zweifel daran, dass es möglich sei, doch Chummy ließ sich nicht beirren. Sie konnte es lernen und würde es auch lernen.
    Jede freie Minute verbrachte sie mit üben. Derweil musste sie ihre ganze Arbeit im Bezirk zu Fuß erledigen und dazu brauchte sie viel länger als mit dem Fahrrad. Aus diesem Grund hatte sie erheblich weniger Freizeit als alle anderen. Doch sie nutzte jeden noch so kurzen Moment der Freiheit. Sie schob das alte Raleigh-Rad ans andere Ende der Leyland Street, die leicht anstieg, und ließ sich dann nach unten rollen, Hunderte Male hinauf und hinab, bis sie ein Gespür für das Gleichgewicht hatte. Sie stand morgens ein paar Stunden früher auf, ging jeden Abend von etwa acht bis zehn Uhr nach draußen und kam erschöpft und außer Atem zurück. »Schließlich ist es ja recht sinnlos, nur zu lernen, wie man im Hellen Rad fährt«, erklärte sie fröhlich. Dieser Logik war kaum zu widersprechen.
    Die Fahrten im Dunkeln wurden meist von einer Menge jubelnder oder spottender Kinder begleitet. Sie wären zu einer echten Gefahr geworden, hätte Chummy nicht die Achtung eines älteren Jungen erworben, der bereits am ersten Tag, als Cynthia, Trixie und ich ihr das Radfahren beizubringen versucht hatten, zu uns gestoßen war. Jack war ein besonders zähes Exemplar, etwa dreizehn und gewohnt, um sein Recht zu kämpfen. Schon bald hatte er die kleinen Kinder verjagt: Hier ein paar Knuffe, da ein Tritt, und weg waren sie. Dann posierte er vor ihrem Fahrrad als ihr Verteidiger und Held.
    »Wenn Ihn’n die Bande da wieder Ärger macht, Miss, dann rufen Sie mich einfach. Jack. Ich kümmer mich schon um die.«
    »Oh, das ist aber ganz schrecklich nett von dir, Jack. Ich bin in der Tat höchst dankbar. Dieses alte Gefährt ist bockig wie ein kleines Fohlen, was?«
    Chummys gestelzte Redeweise musste für Jack ebenso unverständlich gewesen sein wie sein Cockneyakzent für sie, gleichwohl schlossen sie sofort Freundschaft.
    Nun machte Chummy rasch Fortschritte. Jack war früh und spät mit ihr draußen und lief, schob und half ihr auf jede erdenkliche Art. Er entwickelte eine besonders einfallsreiche Methode, ihr beizubringen, wie man mit dem Fahrrad lenkt und abbiegt: Er trat in die Pedale und sie steuerte! Chummy hielt den Lenker, saß auf dem Sattel und ließ die Beine baumeln, während er auf den Pedalen stand und den anstrengenden Teil übernahm. Es muss harte Arbeit gewesen sein, ihre 75 Kilogramm Gewicht vorwärtszubewegen, doch Jack war kein schwächliches Kind und stolz auf seine Männlichkeit. Früh wie spät hörte man ihn rufen: »Links abbiegen, Miss. NEE , LINKS , du Dussel. Nur die Ruhe. Nicht zu scharf einschlagen. Peil’n Sie die Telefonzelle an un behalten Sie sie im Auge.«
    Aufgeben kam für beide nicht infrage und nach drei Wochen radelten sie an dunklen Novembermorgenden von Bow bis zur Isle of Dogs.
    Jack besaß kein eigenes Fahrrad, aber schließlich musste er zugeben, dass es an der Zeit war, es Chummy allein probieren zu lassen. Er schob sie an, sie strampelte sicher die Straße hinunter und um die nächste Ecke. Traurig winkte er ihr nach, als sie aus seinem Blickfeld verschwand. Er hatte sich nützlich gemacht, nun war der ganze

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