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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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dass ich ihm die ganze Wahrheit über mich erzählen sollte, sodass es zwischen uns keine Geheimnisse gäbe. Ich habe ihm also von dem Mann bei meiner Mutter in Dublin erzählt und was er mit mir gemacht hat.
    Da hat mich Zakir von sich weggestoßen, ist aufgesprungen und hat gebrüllt: ›Was verschwende ich nur meine Zeit mit dir, du kleine Schlampe. Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Ich kann mit meiner Zeit Besseres anfangen. Steh auf und zieh dich an.‹
    Er schlug mir ins Gesicht und warf mir meine Kleider hin. Als ich weinte, schlug er mich wieder und sagte: ›Hör auf zu flennen. Zieh dich an, los, mach schon.‹
    Ich zog mich so schnell ich konnte an und er schob mich aus der Tür hinaus ins Treppenhaus. Dann änderte sich seine Laune und er lächelte. Er trocknete mir die Augen mit seinem Taschentuch und sagte: ›Komm, meine kleine Mary. Nicht weinen. Alles wird wieder gut. Ich kann mich schnell aufregen, aber das geht auch schnell wieder vorbei. Wenn du ein braves Mädchen bist, werde ich immer auf dich aufpassen.‹
    Er legte seinen Arm um mich und ich war wieder glücklich. Ich wusste, dass es mein Fehler gewesen war, ihm von dem Mann in Dublin zu erzählen. Da hatte ich seine Gefühle verletzt, verstehst du? Er hatte der Erste sein wollen.«
    Ihre Gutgläubigkeit erstaunte mich. Konnte sie sich – nach allem, was sie durchgemacht und miterlebt hatte – tatsächlich noch an den Traum klammern, dass Zakir sie geliebt und ihre Jungfräulichkeit so hoch geschätzt hatte, dass es seine Liebe auslöschte, als er erfuhr, dass sie von einem betrunkenen Iren vergewaltigt worden war?
    »Er nahm mich wieder mit hinunter ins Café und rief eine der Frauen zu sich, die ich am Abend zuvor das eine Bein der Tänzerin auf dem Tisch hatte festhalten sehen. Er sagte zu ihr: ›Das ist Mary. Es geht ihr gleich wieder besser. Sag Onkel Bescheid, wenn er aufsteht.‹
    Dann sagte er zu mir: ›Ich muss jetzt gehen. Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Du bleibst hier bei Gloria, sie wird auf dich aufpassen. Mach, was Onkel dir sagt. Wenn du tust, was Onkel dir sagt, und ein braves Mädchen bist, dann werde ich zufrieden mit dir sein. Wenn nicht, werde ich sauer.‹«
    Mary flüsterte: »Wann kommst du zurück?«
    Er sagte: »Keine Angst, ich komme zurück. Bleib hier, sei ein braves Mädchen und mach, was Onkel dir sagt.«

Caféalltag
    Während meiner Zeit im Nonnatus House ging ich oft durch Stepney, um mir ein Bild von dem Stadtteil zu machen. Es war schlicht entsetzlich. Die Verhältnisse waren elender, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich konnte kaum glauben, dass ich mich nur drei Meilen von Poplar befand, wo die Menschen zwar arm und in schlechten, überbelegten Behausungen untergebracht, aber trotzdem fröhlich und hilfsbereit waren. In Poplar wurden Schwestern immer lautstark gegrüßt: »Hallo, Liebes. Wie gehts denn immer? Alles klar?« In Stepney sprach niemand auch nur ein Wort mit mir. In der Cable Street, Graces Alley, Dock Street, Sanders Street, Backhouse Lane oder Leman Street, wo immer ich ging, herrschte eine bedrohliche Atmosphäre. Mädchen lungerten in den Hauseingängen herum und Männer gingen, häufig in Gruppen, die Straßen auf und ab oder trieben sich bei den Türen der Cafés herum, rauchten oder kauten Tabak und spuckten. Ich trug immer meine vollständige Schwesterntracht, denn ich wollte auf keinen Fall angesprochen werden. Ich wusste, dass ich beobachtet wurde und meine Anwesenheit ein Ärgernis war.
    Die zum Abriss freigegebenen Gebäude standen auch fast zwanzig Jahre später noch und waren weiterhin bewohnt. Ein paar Familien und alte Leute, die nirgendwo anders hinkonnten, waren übrig geblieben, aber die meisten der Bewohner waren Prostituierte, obdachlose Einwanderer, Trinker und Drogensüchtige. Es gab keine Geschäfte für Lebensmittel oder Haushaltswaren, denn alle Läden waren zu Nachtcafés umgebaut worden – es waren also Bordelle. Die einzigen Geschäfte, die ich sah, waren Tabakläden.
    Viele der Häuser hatten offenbar kein Dach mehr. Pfarrer Joe, der Seelsorger von St Paul’s , erzählte mir, er wisse von einer zwölfköpfigen Familie, die im Obergeschoss in drei Zimmern unter Zeltplanen lebe. Die meisten Obergeschosse standen leer, doch die unteren Etagen, durch die noch nicht eingestürzten Stockwerke darüber geschützt, quollen über vor Menschen.
    Am Wellclose Square (den es heute in dieser Form nicht mehr gibt) lag eine Grundschule, deren

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