Callboys - Die Schönen der Nacht
Hand schon auf den Türgriff gelegt, aber ich hielt inne, bevor ich die Tür öffnete. „Sicher.“
„Warum hast du noch nie jemanden mit nach Hause gebracht?“
Das war eine schwierige Frage, auf die es keine einfache Antwort gab, und zudem fand ich, dass wir im Moment keine Zeit hatten, ernsthaft darüber zu reden. „Ich nehme an, weil ich sehr lange niemanden kennengelernt habe, mit dem ich lange genug zusammen war, um mir die Mühe zu machen, ihn meiner Familie vorzustellen.“
Sams Grinsen löste ein Kribbeln in mir aus. „Habe ich dir nicht gesagt, du würdest es nicht bereuen, wenn du mir eine Chance gibst?“
„Ich glaube, du erwähntest es ein- oder zweimal.“ Ich ließ meine Finger durch die weichen Fransen über seinem Ohr gleiten.
„Bist du froh, dass du es getan hast?“ Sam stellte die Frage ernsthaft, ohne zu scherzen, also neckte ich ihn auch nicht.
„Ja, Sam. Ich bin froh.“
Er nickte. „Ich auch. Lass uns reingehen.“
Um deutlich zu machen, dass ich mich seiner nicht schämte, hielt ich Sams Hand, während wir ins Haus gingen und ich ihn meinen Eltern, Craig, Hannah und Jerry und schließlich Melanie und Simon vorstellte. Die Kinder sahen hoch und höher und noch höher hinauf, die Augen in den kleinen Gesichtern weit aufgerissen, die Münder geöffnet.
„Bist du ein Riese?“, wollte Simon wissen.
Sam lachte und hockte sich hin, sodass er auf Augenhöhe mit meinem Neffen war. „Yo, ho, ho. Nein, aber ich kann zaubern.“
Simons Augen begannen zu leuchten. „Wie David Copperfield?“
Von unten warf Sam mir einen Blick zu. „Vielleicht nicht ganz so gut wie er.“
Er holte einen Vierteldollar aus seiner Hosentasche und machte einen ganz passablen Zaubertrick vor, an dessen Ende er die Münze hinter Simons Ohr hervorzog. Anschließend musste er den Trick für Melanie wiederholen. Als ihn die Kinder zwischen sich nahmen und ins Fernsehzimmer zogen, um ihm das Fort zu zeigen, das sie aus Kissen gebaut hatten, wusste ich, dass er zwei kleine Freunde gewonnen hatte.
Meine Schwester wirbelte in der Küche unserer Mutter herum und bereitete den Teller mit Sandwiches und belegten Brötchen vor. „Holst du die Mayo und die Mixed Pickles aus dem Kühlschrank, Grace?“
„Du hast deine Haare abschneiden lassen.“
Hannah richtete sich auf und wandte sich um, wobei sie die Hand automatisch hob, um den neuen, kürzeren Schnitt zu überprüfen. Solange ich denken konnte, hatte sie ihr Haar lang und im Nacken zusammengebunden getragen. Nun war es zu einem glatten Bob geschnitten, der ihr bis auf die Schultern reichte und in dem bernsteinfarbene Strähnen leuchteten. Auch die Farbe ihres Lippenstifts hatte sie geändert, sie war nun satter und kräftiger.
„Gefällt es dir?“ Ein wenig verdrießlich strich sie sich durch das Haar.
„Es sieht toll aus.“
Sie lächelte. „Danke. Ich fand, es war Zeit für eine kleine Veränderung.“
Ich nahm die Mayonnaise und die Mixed Pickles aus dem Kühlschrank. „Gab es bei dir in letzter Zeit viele Veränderungen?“
Als ich wieder hinter der Kühlschranktür hervorkam, starrte meine Schwester mich entgeistert an. „Was willst du damit sagen?“
„Das war einfach nur eine Frage“, erwiderte ich achselzuckend.
Etwas glitt so rasch über ihr Gesicht, dass es mir nicht gelang, den Ausdruck zu deuten. „Vergiss den Senf nicht.“
Wie zu erwarten gewesen war, verlief das Mittagessen chaotisch. Die Kinder redeten ununterbrochen auf Sam ein, der sie endgültig erobert hatte, indem er wieder und wieder mit ihnen das Spiel spielte, bei dem die Kinder taten, als würden sie an eine Tür klopfen, woraufhin er jedes Mal unverdrossen fragte: „Wer ist da?“, um dann über den Scherz, den die beiden machten, herzhaft zu lachen, mochte er noch so sinnlos sein.
Craig, Jerry und mein Dad diskutierten über Geldanlagen und die Börse, zwei Themen, von denen ich wusste, dass ich mich dafür interessieren sollte, auf die ich mich aber momentan nicht konzentrieren konnte.
Hannah und meine Mom sprachen über den neusten Klatsch und fragten mich ab und zu, ob ich zu dieser oder jener Frage Näheres wisse, doch normalerweise hatte ich nichts beizutragen. Zwar kam mir vieles zu Ohren, doch wie ein Arzt behandelte ich die Dinge vertraulich.
Nachdem wir das Mittagessen beendet hatten, räumten die konservativen Frawley-Frauen den Tisch ab, während die Männer ins Fernsehzimmer gingen, um den neuen, riesigen Bildschirm meines Dads zu bewundern. Ich
Weitere Kostenlose Bücher