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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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mit Viola in der Küche und sah ihr beim Teigkneten zu. Mit solcher Kraft machte sie das, dass man die Sehnen in ihren Unterarmen hervortreten sah. Viola war ein Ausbund an Tüchtigkeit.
    »Was geht dir durch den Kopf?«, fragte sie mich.
    »Wie kommst du darauf, dass mir was durch den Kopf geht?«
    »Dann hast du immer so einen bestimmten Blick. So wie jetzt.«
    Das war mir neu, dass meine Umgebung mich so einfach durchschauen konnte. »Viola«, begann ich, »was ist jetzt mit Erntedank? Und mit Travis? Kannst du nicht irgendwas machen? Es würde ihn umbringen!«
    »Ich hab mit deiner Mama gesprochen«, sagte sie, während sie Mehl aufs Backbrett streute, »und die hat mit deinem Daddy gesprochen. Ich hab getan, was ich konnte. Wenn dir noch was einfällt, dann nur zu.«
    »Wieso musste auch ausgerechnet er die Vögel dieses Jahr versorgen? Das war doch dumm!«
    Sie warf mir einen langen Blick zu. »Meine Idee war das nicht.«
    »War er denn wirklich schon an der Reihe?« Ich zählte meine Brüder an den Fingern ab. »Mal sehen: Also letztes Jahr war Sam Houston dran, und im Jahr davor Lamar, glaube ich, das heiß, dieses Jahr müsste … oh!«
    »Genau, meine Kleine.«
    Ich dachte darüber nach und kam zu dem Schluss, dass sie mich nicht hätten übergehen dürfen. Ich hätte mich besser geschlagen als Travis, schließlich war ich inzwischen im Feuer der Wissenschaftlichen Methode gestählt. Manchmal mussten Tiere eben sterben – ob im Dienste der Wissenschaft oder im Dienste der Festtagsfreuden an Erntedank. Ich wusste das, und ich hätte es ertragen können.
    Wahrscheinlich.
    Am nächsten Tag schnappte ich mir Travis, als er gerade seine Vögel gefüttert hatte.
    »Schau mal«, sagte ich, »sieh sie einfach als Hühner. Hühner gibt’s bei uns ständig zum Essen. Also stell dir vor, die Truthähne sind Hühner. Hühner sind dir doch nicht so wichtig, stimmt’s?«
    »Aber das sind keine Hühner, Callie. Sie kennen ihre Namen. Sie warten jeden Morgen darauf, dass ich komme.«
    »Ich weiß , dass es keine Hühner sind, Travis, ich meine ja nur – stell dir von jetzt an immer vor, dass sie so was wie Hühner sind, damit machst du’s dir leichter.«
    Er sah mich zweifelnd an.
    »Oder«, fuhr ich fort, »stell dir vor, dass sie so was sind wie Polly. Polly ist dir doch auch nicht ans Herz gewachsen.« (Und auch sonst niemandem.)
    »Polly hat einem ja auch Angst gemacht«, sagte Travis. »Meine Truthähne machen das nicht, die sind ganz zahm.«
    »Travis, du musst es einfach versuchen. Und du musst aufhören, deine ganze Zeit mit ihnen zu verbringen. Im Ernst.«
    Zwei Tage später war Reggie verschwunden. Offenbar hatte er seinen kräftigen Körper durch einen winzigen Spalt in der Einzäunung des Hühnerhofs gequetscht.
    Natürlich gab es großen Ärger, aber Travis blieb steif und fest bei seiner Aussage, er habe Reggie nicht zur Flucht verholfen. Zu Travis’ und Reggies Pech stellte sich der Vogel am nächsten Morgen ein, sobald es dämmerte, und wartete vor dem Gehege auf sein Frühstück und darauf, dass sein bester Freund ihm das Gefieder kämmte. Ich selbst habe es nicht miterlebt, doch Lamar berichtete mir später, Travis sei in Tränen ausgebrochen, als er den Vogel sah, und habe versucht, ihn ins Unterholz zu verscheuchen. Doch Reggie war fest entschlossen, in sein bequemes Leben zurückzukehren. Alberto wurde angewiesen, die Einzäunung zu verstärken, die anschließend von Vater persönlich inspiziert wurde, bevor er eine weitere Unterredung mit Travis führte, hinter verschlossenen Türen.
    Je näher der Feiertag rückte, desto blasser und stiller wurde Travis.
    In meiner Verzweiflung ging ich zu Harry, doch zu meiner Enttäuschung hatte er nichts weiter zu sagen als: »Da mussten wir alle durch.«
    »Ja«, antwortete ich, »aber ihr habt aus euren Truthähnen keine Schoßtiere gemacht. Bei ihm ist es etwas anderes, verstehst du das nicht?«
    »Weißt du, eigentlich wärst du an der Reihe gewesen.«
    »Ich weiß.«
    »Aber das konnte ich Vater ausreden«, sagte Harry.
    »Das hast du gemacht? Warum das denn?«
    »Weil wir beide der Meinung waren, du würdest zu sehr darunter leiden.«
    »Also, das ist ja wirklich zum Lachen. Der arme Travis geht fast kaputt daran, falls das noch keinem von euch aufgefallen ist.«
    Harry seufzte. »Na schön«, sagte er, »was schlägst du vor?«
    »Mir fällt ja eben nichts ein. Genau deswegen bin ich ja zu dir gekommen, damit du mir hilfst.«
    »Hast du schon mit

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