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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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chemischer Geruch wie nach Lack. Da stehen Büchsen ohne Deckel. Schnellbindender Zement und Kleber für Teppichboden. Er hat sie gefunden, er hat sie geöffnet, aber ich verstehe nicht, wieso.
    Und schließlich finde ich ihn, er kauert auf einem Gummiteppich in Blumenform, unter einem grün-blauen Hochbett.
    »Cocíss, ich bin’s. Was zum Teufel hast du gemacht?«
    Mit einem Grunzen zieht er sich eine Decke über den Kopf. Ich bleibe einen Meter vor ihm stehen.
    »Und du, was zum Teufel hast du denn gemacht?«
    Seine Stimme ist nicht wiederzuerkennen, gedämpft, aber nicht nur von der Decke. »Wie spät ist es?«
    »Acht.«
    Ich lenke das Licht nach oben, und er zieht sich die Decke bis zur Nase runter.
    Seine Haut ist bleich, und die Augen haben ein metallisches Grau.
    »Hier kriegt man ja keine Luft, riechst du das nicht?«, frage ich ihn.

    (Was sage ich denn da für einen Scheiß. Die Nase von dem da riecht gar nichts mehr.)
     
    Er wirft mir vor, mich nicht an die Abmachungen zu halten. Ich begreife, dass er mir damit mitteilen will, dass für ihn die Abmachung nicht gestorben ist, im Gegenteil.
    Er steht auf, tritt die Decke weg und streckt die Beine aus.
    »Hast du mit deinem Chef gesprochen?«
    »Ich habe mit ihm gesprochen.«
    Er tut so, als interessierte ihn die Sache nicht, aber ein nervöses Zucken der Augenbrauen kann er nicht verbergen.
    »Und? Habt ihr euch schön in aller Ruhe unterhalten, und ich hab in dem beschissenen Bau hier gewartet?«
    Ich will keinen Streit und komme gleich auf den Punkt.
    »D’Intrò lässt mir freie Hand. Die Abmachung ist für ihn okay, und es gibt auch Geld für dich. Aber wir wollen Garantien.«
    »Wie viel Geld?«
    »Zwanzigtausend Euro.«
    Er kommentiert den Vorschlag mit einem geräuschvollen Schnauben.
    »Ja, seid ihr denn verrückt? Der ist viel mehr wert.«
    »Das Problem ist nicht, was eine gewisse Person wert ist.«
    »Ach nein?«
    »Nein. Es geht darum, wie viel du wert bist. Und das habe ich dir schon erklärt, meine ich.«
    Ich setze mich auf die Leiter des Hochbetts und lasse die Zeitungen, die ich am Flughafen gekauft habe, auf den Boden fallen. Eine hat sein Foto auf der ersten Seite. Nicht riesig, aber immerhin sehr viel mehr, als viele Mordopfer bekommen.
    »Sogar in Farbe, das Foto«, kommentiert er.
    »Zufrieden?«
    »Die wollen mir die Sache mit den beiden armen Mädchen anhängen. Um mich fertigzumachen, diese elenden Arschlöcher.
Wo ich immer regelmäßig gezahlt hab, und in meinem Bezirk, da gab es keine Probleme. Aber ich fick den großen Boss«, er zieht sich mit den Händen an den Ohren, als wollte er sie sich ausreißen. »Die werden noch sehen, was sie davon haben, sich alle gegen mich zu stellen.«
    »Wirklich alle. Sogar die Leute, die sonst immer ruhig und brav bleiben und sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, sind auf die Straße gegangen. Die Journalisten sind gekommen, das Fernsehen, die Polizei, und um ein Haar wäre auch noch das Militär angerückt.«
    »Eine Woche, und alles ist wieder wie vorher.«
    »Und du, was hast du so verdient, in einer Woche?«
    »Was soll das denn jetzt?«
    »Sag es mir, los.«
    »Was geht dich das an?«
    »Kannst du multiplizieren? Multiplizier mal mit hundert, das ist einfach.«
    »Mach du doch, du hast doch studiert. Aber sag mal … hat der Dottor D’Intrò dir nichts für mich mitgegeben?«
    Die Frage sollte mich nicht überraschen. (Er ist schon so weit runter, dass er Teppichkleber geschnüffelt hat. Das Gas aus dem Feuerzeug nicht, aber nur weil er es braucht, um sich Zigaretten anzuzünden.)
    »Wie viel hat er dir letztes Mal gegeben für den Tipp mit der Versammlung der Capozona?«
    »Genug. Aber nicht so viel.«
    Ich suche in der Tasche nach dem Plastiktütchen, in dem ich ein Paar Ohrringe aus grünem Glas hatte. Ich kann es ertasten, es scheint leer. Doch darin ist ein knappes Gramm vom Paradies, kalt wie Eis, wie das Reich der Incantalupo. Oder vielleicht wie der dunkle Atem Gottes.
    Ich werfe es auf die Zeitungen, direkt auf sein Foto.
    Cocíss scheint sich zu beherrschen zu müssen, dann legt er beide Hände darauf, als wären um ihn herum hundert Leute, die es ihm wegnehmen wollten.

    Nachdem er sich den Koks bis zum letzten Krümel reingezogen hat, fängt er wieder an zu handeln, besteht darauf, dass er mehr Geld will, weil er sich ein neues Leben aufbauen muss, allein, weit weg von allen. Ich möchte ihn fragen, ob der Wert eines neuen Lebens nur eine Frage des Geldes ist. Ob

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