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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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nehmen, um die Gewissheit zu haben, dass das Haar vom Kopf desjenigen stammt, der angeblich Saro Incantalupo ist, der Boss ohne Gesicht. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich das machen soll. Und erst recht nicht, wie ich Cocíss in der Zeit, die notwendig ist, um die Probe nach Italien zu schaffen, ruhig halten und schützen soll. Ich verstehe, dass es um einen DNA-Vergleich geht, aber ich verstehe nicht, wie das möglich ist.
    »Vor drei Jahren«, erklärt D’Intrò, während er gegen die Fahrtrichtung in den für das Personal reservierten Parkplatz einbiegt, »habe ich einen unserer Leute in die Pflegemannschaft des Heims eingeschleust, in dem Saro Incantalupos Vater seine letzten Tage verbrachte. Gerade noch früh genug. Einen Monat später ist der alte Ludovico Incantalupo gestorben, aber wir hatten die biologischen Proben, um seine DNA zu ermitteln. Wenn wir tatsächlich seinen Sohn Saro finden, können wir das feststellen. Das läuft wie ein normaler Vaterschaftstest ab.«
    Ich versuche nicht an die Proben zu denken, die der als Pfleger eingeschleuste Kollege gesammelt hat.
    »Das Boarding ist in zwanzig Minuten«, sage ich, während D’Intrò immer noch in der falschen Richtung auf dem Personalparkplatz unterwegs ist.
    »Ich habe die Kollegen schon angerufen, die kümmern sich darum, Sie an Bord zu bringen, und zwar ohne Check-in«, versichert er mir und wirft einen Blick auf meine Tasche.
     
    Im Flugzeug schlafe ich eine halbe Stunde, dann schaue ich unverwandt auf das Gepäckfach, wo ich die Tasche untergebracht habe, und gehe zweimal zur Toilette. Ich spüre wieder ein leichtes Unwohlsein, das noch nicht Sodbrennen ist, aber gut welches werden kann.
    In Pisa suche ich die Theken in den Cafébars nach Himbeerkuchen ab. Gibt es nicht. Ich frage nach einem Waldbeerensaft.
Gibt es auch nicht. Ich schalte das Handy wieder ein. Eine Nachricht von Antonello. Ich lese sie nicht einmal, habe Angst, dass ich zu viel Lust bekomme, ihn wiederzusehen.
    Ich kaufe mir ein Stück Pizza und ein paar Tageszeitungen und halte das erste Taxi an.
    Im Taxi lese ich sie schließlich doch, die SMS.
    »Liebe mich oder verhafte mich.« Das ist er, der alte Komiker, den ich so mag. Ich lächle, strenge mich an, ihm nicht zu antworten, schreibe dann doch: »Ich kann beides nicht« und schalte das Handy aus.
     
    Ich rufe nach Cocíss, sobald ich da bin.
    »Wo bist du? Ich bin’s.«
    Er antwortet nicht. Auf dem staubigen Glas der Trennwände liegt das Licht der untergehenden Sonne wie eine orangefarbene Raute. Wenige Schritte, und ich tauche in das Dunkel ein. Ich umfasse die Pistole in meiner Tasche, knipse die Taschenlampe an und leuchte auf die Schlafcouch, wo ich ihn gestern Abend zurückgelassen habe. Leer und ungemacht. Kalt.
    Ich rufe noch mal nach ihm und gehe mit eiligeren Schritten in die Küchenabteilung.
    Auf dem rustikalen Tisch sehe ich die Pappschachteln, in denen unser gestriges Abendessen war. Ich hoffe, ihn in der Wohnzimmerabteilung zu finden, hingeflegelt auf einer Couch wie irgendein Jugendlicher, der darauf wartet, dass das Essen auf dem Tisch steht. Aber er ist nicht irgendein Jugendlicher, ich bin nicht seine Mutter, und diese Wohnzimmer werden verrotten oder vernichtet werden, ohne dass je ein Mensch darin gewohnt hat.
    In dem Gang, der zur Treppe führt, werfen die Spiegel das Licht meiner Taschenlampe unzählige Male zurück. Als ich sie nach unten halte und der psychedelische Effekt von der Netzhaut verschwindet, sehe ich, dass eine Sicherheitstür offen steht.

    ( Wie kommen Sie darauf, dass er die Abmachung einhalten will? Verdammt, er ist abgehauen.)
    Aber wohin? Wohin kann er gehen? Alle haben sein Gesicht gesehen, er hat überhaupt kein Geld, ist außerhalb seiner gewohnten Umgebung. Wir sind zwanzig Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt. Nicht weit von hier beginnen die Wälder, das stimmt, doch wenn er sich gedacht hat, er könnte in die Wälder fliehen, bin ich sicher, dass er nie mehr herausfindet. Dort kennen sich inzwischen nur noch die Pilzsucher und ein paar sardische Hirten aus, die vor Jahren bei Entführungen geholfen haben. In den Wäldern sind nur noch die Gespenster der Geiseln, die man den Wildschweinen zum Fraß überlassen hat.
    Ich laufe nach oben, im Schein der Taschenlampe wanken die Stufen vor meinen Füßen.
    Ich rufe noch einmal nach ihm und suche ihn in den Schlafzimmern. Bei den Kinderzimmern ist ein so durchdringender Gestank, dass einem schlecht wird, ein

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