Canard Saigon (German Edition)
zehn Stunden Gewaltmarsch unser Zeltlager aufgeschlagen hatten, fassten wir Verpflegung, dann gingen die Drills los. Alles, was wir in der Grundausbildung gelernt hatten, wurde in Übungen und Manöver eingebunden und musste ausgeführt werden. Das war die Abschlussprüfung der Rekruten. Ich hatte Höllenqualen durchlitten. Geschunden, ausgebrannt und mehr tot als lebendig schleppte ich mich die letzten Meter zum Lager. Im Kasernenhof fiel ich – wie alle meine Kameraden – auf die Knie. Trotz der Erschöpfung brüllten wir stolz unseren Jubel aus den vertrockneten Kehlen. Denn wer nach dieser Tortur, nach vier Tagen, das Kasernentor durchschritt, war automatisch Legionär 2. Klasse.
Bei der Fremdenlegion gab es keine fixe Ordnung. Die Essenszeiten wechselten täglich, ebenso die Appellzeiten. Nur Sonntag war Ruhetag. Da konnte jeder machen, was er wollte. Meistens nutzte ich den Sonntag zur Regeneration. Lange schlafen, gut und reichlich essen, einfach Kräfte sammeln für die nächste harte Woche, die mich erwartete.
Die Legion war eine militärische Kampftruppe. Und ich behaupte, sie war die kampfkräftigste Truppe der Welt. Während der Ausbildung wurden wir zur Selbstständigkeit erzogen. Jede Übung hatte ihren praktischen Sinn. Schnelligkeit, Präzision und die blinde Beherrschung der Waffen wurden täglich geübt. Wir wurden zu überdurchschnittlichen Schützen ausgebildet. Die Unteroffiziere erklärten auch die kleinsten Handgriffe und praktische Tricks mit einer wahren Eselsgeduld. Wenn ein Legionär sich als besonders begabt erwies oder sich für eine besondere militärische Sache interessierte, wurde er zum Spezialisten ausgebildet. Es herrschte das Prinzip der freien Wahl der Waffen. Je selbstständiger ein Legionär handelte, desto größer waren seine Kampfkraft und seine Überlebenschance im Gefecht. Marschieren und kämpfen – das Motto der Fremdenlegion.
Die Offiziere nutzten die beruflichen Fähigkeiten der Legionäre geschickt aus. War ein Kasernenanbau zu errichten, gab es in der Truppe sicherlich gelernte Maurer, Tischler und Zimmermänner, die das Kommando erhielten und den anderen die wichtigsten Handgriffe zeigten. Den Straßenbau übernahmen Sprengmeister und Pflasterer, die Reparatur von Lastwagen oblag Mechanikern. Aber alle anderen mussten ihnen zur Hand gehen. Auf diese Weise eignete ich mir Fähigkeiten aus vielen Berufen an. Ein Legionär muss sich zu helfen wissen.
Militärisch wurde ich zum Nahkämpfer ausgebildet. Ich konnte außergewöhnlich gut schießen. Ob mit dem Gewehr oder der Pistole, ich war immer unter den besten Schützen. Meinem Sergent, einem grimmigen Ungarn, fielen meine Schnellkraft und meine guten Reflexe auf. Ab diesem Zeitpunkt gab es täglich intensives Boxtraining für mich. Sergent Toth war selbst ein exzellenter Boxer und kümmerte sich persönlich um unser Training. Wir waren eine kleine Gruppe von sieben Mann, die für die Nahkampfausbildung vorgesehen waren. Es gab keine Gewichtsklassen und keine sportlichen Regeln. Wer nicht aufpasste, bekam eine auf die Nase. Ich war einer der Leichtesten in der Gruppe und den großen Kerlen in puncto Schlagkraft unterlegen. Nach einigen blauen Augen und einer gebrochenen Nase lernte ich aber, mein Talent weiterzuentwickeln. Ich verbesserte meine Reflexe, meine Schnelligkeit und meine Beweglichkeit. Da mit der Zeit auch meine Schläge härter wurden, war ich bald ein gefürchteter Nahkämpfer. Obwohl Schlägereien unter den Legionären im Kasernenalltag auf der Tagesordnung standen, legte sich mit mir bald niemand mehr an.
Sergent Toth lehrte uns aber nicht nur das Boxen. Er hatte während eines Einsatzes in Asien einige Elemente der dort üblichen Nahkampfkünste erlernt. Natürlich war er kein Meister dieser Techniken, aber er hatte sich ein paar Griffe, Schläge und Würfe angeeignet, die ihm im Nahkampf nützlich waren. Wir lernten, einen Gegner mit einem Griff zu entwaffnen, Messerattacken abzuwehren und Angreifer mit einem gezielten Fußschlag außer Gefecht zu setzen.
Alle zwei Wochen kam ein Caporal, ein kleiner drahtiger Italiener, vorbei, um uns den richtigen Umgang mit Messer und Bajonett beizubringen. Sergent Toth, der immer sagte, wir seien nur Frischfleisch für die Suppentöpfe der Schlitzaugen, nahm mich gegen Ende der Ausbildung zur Seite. Er sagte mir, ich solle jeden Tag weiter üben, dann wäre ich vielleicht Frischfleisch, das die Suppentöpfe der Schlitzaugen vergifte. Ich glaube, das war
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