Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
nicht, konnte eventuell unerheblich sein.
Die Kluft zwischen ihnen war so breit, dass Lily sich nicht vorstellen konnte, dass sie mit ein bisschen Vergebung zu schließen war. Letztere konnte genauso gut dazwischen auf den Boden dieser Spalte fallen, ohne einen Unterschied zu machen.
Außerdem, musste sie wirklich wissen, ob Daniel sie nicht mehr wollte? Wäre es nicht besser, davon auszugehen und ihn zu verlassen, bevor er die Chance hatte, sie zu verlassen? Noch mehr, als er es bereits getan hatte?
Lily konnte sich die Demütigung nicht vorstellen, Daniel zu verzeihen, nur damit er sich höflich bei ihr bedankte und Eugenia heiratete.
Tatsächlich konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, ihm zu verzeihen, Punkt. Mit dem eigentlichen Akt des Verzeihens hätte sie sich fast anfreunden können, aber es handelte sich um eine persönliche Abmachung mit sich selbst, und nicht um eine Absprache unter vier Augen mit Daniel. Die bloße Vorstellung, mit ihm darüber zu reden, seinen Betrug und ihren Kummer zu analysieren, löste in Lily Brechreiz aus.
Bis zu diesem Punkt hatte sie nie verstehen können, warum manche Menschen so rasch die Scheidung einreichten. Sie kannte mindestens drei Paare, die an dem einen Tag noch einen wahrhaft glücklichen Eindruck machten und sich am nächsten Knall auf Fall trennten.
Nun wusste sie, warum: Wer wollte schon bei der Autopsie dabei sein? Was tot war, war tot. Wozu die Eingeweide ans Tageslicht zerren und darin herumstochern? Das würde bloß noch mehr Schmerz verursachen, besonders bei der verletzten Partei.
Nein, sie war in die Toskana gekommen, sie hatte sich in deren Schönheit gesonnt, sie hatte herausgefunden, was genau mit ihrem Mann los war, sie hatte das Verhältnis zu ihrer Schwester wiederbelebt, sie hatte gelernt, Cantucci zu backen, und sie hatte einen Nachmittag damit verbracht, mit einem schönen Italiener zu schlafen – etwas, das sie nie jemandem erzählen würde, solange sie lebte, wie sie sich insgeheim vornahm. Sie würde die ganze Reise als eine Art heimliches Abenteuer in ihrem Kopf abhaken. Und sie würde ihrem Versprechen treu bleiben und sicherstellen, dass Daniel das Richtige für Francesca tat. Es war Lily ernst damit, selbst wenn es ihrem Bankkonto schadete. Aber sie würde es von ihrer Wohnung in New York aus tun.
Es war wirklich Zeit, nach Hause zu gehen.
»Fahren Sie geradeaus«, wie Dermott sagen würde. Fahren Sie geradeaus. Es war eine Erleichterung, dachte Lily, zu beschließen, dass ihe Ehe vorbei war. Denn wieder einmal war sie eine Frau mit einem Plan. Das fehlende I-Tüpfelchen stand kurz davor, gesetzt zu werden.
Es war dunkel, als sie so vorsichtig wie möglich die Tür zur Pasticceria öffnete, damit die Ladenglocke nur ganz leise klimperte. Lily blieb einen Moment stehen, um den sonderbaren kleinen Raum noch einmal zu betrachten. Wie kam es, dass es hier immer nach Rosen duftete, obwohl es gar keine gab? Der schwache Schein der Straßenlaterne schimmerte von draußen durch das Schaufenster und erleuchtete die grüne Glasschüssel, in die Lily und Francesca ihre Cantucci vor ein paar Stunden gelegt hatten. Es hatte ausgesehen wie ein Strauß aus Keksherzen. Nun war nichts mehr in der Schüssel außer ein paar einsamen Krümeln.
Wie sonderbar, dachte Lily. Vielleicht war Violetta nach Hause gekommen und hatte die Kekse weggeworfen.
Sie schlich so leise wie möglich zu der Schwingtür, schob sie auf und schlüpfte in die Küche – nur um dort Violetta anzutreffen, die am Tisch saß und geduldig auf sie wartete. Luciana saß aufrecht im Bett und machte einen quietschfidelen Eindruck, die Hände ordentlich gefaltet über ihren Decken.
»Ach, herrje«, stieß Lily höflich aus. Sie hatte sich vorgenommen, in aller Stille zu verschwinden und eventuell eine Nachricht zu hinterlassen, aber vielleicht war es besser, offen damit umzugehen. »Eigentlich ist das sogar gut«, sagte sie. »Ich bin froh, dass ich Sie antreffe. Es ist nämlich so, Violetta, ich werde abreisen. Heute noch. Ich gehe nur kurz nach oben, um meine Sachen zu packen, und fahre dann zurück nach Rom. Ich werde am Flughafen übernachten, damit ich morgen früh den ersten Flug nach New York nehmen kann.«
Violetta blickte verstohlen von links nach rechts.
»Hm, nein«, sagte sie. Sie hatte eine recht laute Stimme für so eine kleine, hochbetagte Person. »Nein, das glaube ich nicht. Nein, nein, nein.«
Lily stutzte, aber nicht lange. »Doch«, erwiderte sie
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