Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Arsch und sechzehn Teile Unhöflichkeit. Was für eine Mixtur. Diese Familie zu erobern, würde mit Sicherheit nicht leicht werden.
Nach ein paar weiteren Rechenspielchen, zwei Nachschlagportionen Pommes und drei Kugeln Eis war der Junge müde und Carl hatte Ruhe. Mutter und Sohn verabschiedeten sich und Mona stand ihm mit funkelnden Augen gegenüber.
»Ich habe mit Kris einen Termin am Montag abgemacht.« Carl beeilte sich, das loszuwerden. »Ich hab angerufen und mich dafür entschuldigt, dass ich's heute nicht geschafft habe. Aber seit heute Morgen ging es wirklich rund, Mona.«
»Denk nicht dran«, sagte sie und zog ihn so dicht an sich, dass Carl ins Schwitzen kam.
»Ich glaube, jetzt wird dir ein bisschen Lakengymnastik guttun.« Damit manövrierte sie eine Hand dorthin, wo alle gesunden Jungs den lieben langen Tag rumfummeln.
Carl zog die Luft zwischen den Zähnen ein. Verflixt scharfsinnig, diese Frau. Vielleicht hatte sie das von ihrer Tochter geerbt.
Nach den obligatorischen einleitenden Handlungen verschwand Mona im Badezimmer, um sich »zu pflegen«, und Carl saß mit roten Wangen, geschwollenen Lippen und viel zu kleiner Unterhose auf der Bettkante.
Da klingelte sein Handy.
Auf dem Display erkannte er Roses Nummer im Präsidium. Die hatte wirklich ein Talent für falsche Momente!
»Ja, Rose«, sagte er kurz angebunden. »Es muss schnell gehen, ich bin gerade mit etwas Wichtigem beschäftigt«, fuhr er fort und spürte, wie sein Stolz in der Zwischenetage langsam schrumpfte.
»Bingo, Carl.«
»Bingo? Warum bist du noch im Büro?«
»Wir sind alle beide hier. Hallo Carl!«, hörte er Assad im Hintergrund. Feierten die 'ne Pyjamaparty, oder was?
»Wir haben noch einen weiteren Vermisstenfall ausgegraben. Über den wurde allerdings erst einen Monat später berichtet als über die uns bekannten Fälle, deshalb haben wir ihn beim ersten Durchgang nicht gefunden.«
»Aha, und ihr bringt ihn sogleich mit den anderen in Verbindung? Warum?«
»Man nannte ihn den Velosolex-Fall. Ein Mann setzte sich auf sein Moped, fuhr von Brenderup auf Fünen zum Bahnhof von Ejby, parkte das Teil beim Fahrradständer und ward nie mehr gesehen. Einfach verschwunden.«
»Und an welchem Tag war das?«
»Am 4. September 1987. Aber das ist noch nicht alles.«
Carl sah hinüber zur Toilettentür, hinter der sein erotischer Traum feminine Geräusche erzeugte.
»Ja, was denn noch? Nun sag schon.«
»Der Typ hieß Hermansen, Carl. Tage Hermansen.«
Carl runzelte die Stirn. Ja, und?
»Mensch, Carl, Hermansen«, rief Assad im Hintergrund. »Weißt du nicht mehr? Den Namen hat Mie Nørvig erwähnt, und zwar in Zusammenhang mit dem ersten Fall, bei dem ihr Mann und Curt Wad zusammengearbeitet haben.«
Carl konnte Assads galoppierende Augenbrauen förmlich vor sich sehen.
»Okay«, sagte Carl. »Da müssen wir nachhaken. Gute Arbeit. Aber jetzt geht heim, ihr zwei.«
»Dann treffen wir uns morgen früh im Präsidium, Carl, ja? Sollen wir sagen, um neun?«, dröhnte Assads Stimme aus dem Hintergrund.
»Äh, morgen ist Samstag, Assad. Hast du mal was von freien Tagen gehört?«
Dann entstand ein Kratzen in der Leitung, Assad nahm Rose offenbar den Hörer ab.
»Jetzt mal langsam, Carl. Wenn Rose und ich am Sabbat arbeiten können, wirst du es doch wohl schaffen, an einem Samstag nach Fünen zu fahren, oder?«
Das war keine Frage, die nach einer Antwort verlangte. Das war ein Köder und außerdem eine getroffene Entscheidung.
25
September 1987
E ntspannt und voller Erwartung saß Rita auf einer Bank und blickte über den Peblinge-See. Die Zeit reichte noch für zwei Zigaretten. Dann würde sie zu dem grau geklinkerten Wohnblock hinübergehen, klingeln, die braune Haustür aufstoßen, die Treppe hinaufsteigen und sich ihrer Vergangenheit zuwenden. Vielleicht ließe sich da ja noch mal anknüpfen?
Sie lächelte vor sich hin, und als ein Mann im Jogginganzug vorbeilief, lächelte sie auch den an, woraufhin der frech zurückgrinste. Sie war zwar sehr früh aufgestanden, aber trotzdem schon voller Schwung. Und sehr von sich selbst überzeugt.
Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Der Typ blieb zwanzig Meter weiter stehen und begann mit Dehnübungen, aber seine Augen verweilten auf ihrem großen Busen unter dem offenen Mantel.
Nicht heute, mein Kleiner, vielleicht ein andermal, signalisierte ihr Blick, als sie sich die zweite Zigarette anzündete.
Im Augenblick ging es nur um Nete, und Nete war weitaus
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