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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Seife in Form von Flocken, oder eher Spänen, aus einem Spender an der Wand. Die Haare wurden davon steif und stumpf wie Soldatenhelme und die Haut roch nach dem Waschen schlechter als vorher.
    Es herrschte eiserne Disziplin und der Tagesablauf war bis auf die Minute strikt festgelegt. Nete hasste alles auf Sprogø und blieb, soweit irgend möglich, für sich. So war es schon bei ihrer Pflegefamilie gewesen, und so war es auch hier. Das hatte den Vorteil, dass sie in aller Ruhe ihr Schicksal beklagen konnte. Allerdings hing hier über allem ein dunkler Schatten: Von hier kam sie nicht weg. Vielleicht hätte eine freundliche Seele beim Personal oder eine gute Freundin ihr das Dasein erträglicher machen können. Aber die Frauen, die sie beaufsichtigten, waren derb und kommandierten die Mädchen herum, und Rita war mit sich selbst beschäftigt. Sie handelte und schummelte und tauschte ein und glitt langsam und unmerklich immer weiter nach oben im System, bis sie schließlich wie eine Fürstin über eine Schar beschränkter Untergebener herrschte.
    Nete teilte das Zimmer mit einem einfältigen Mädchen, das unentwegt von kleinen Kindern plapperte. Der Herrgott hatte ihr eine Puppe geschenkt, und wenn sie gut auf die aufpasste, würde sie eines Tages ein eigenes kleines Kind bekommen, das wiederholte sie in einem fort. Mit ihr war keine vernünftige Unterhaltung möglich, aber unter den übrigen Mädchen waren etliche ziemlich helle und schlau. Eines der Mädchen bat immer wieder darum, lesen zu dürfen. Das Personal jedoch machte sich lustig darüber. »Luxus« nannten sie das und schickten das Mädchen wieder an die Arbeit.
    Nete arbeitete auch. Sie hatte darum gebeten, in den Stall zu kommen, aber das gestattete man ihr nicht. Während Rita fast den ganzen Tag im Waschhaus zubrachte, Wäsche kochte und mit anderen Mädchen herumblödelte, stand Nete in der Küche, putzte Gemüse und wusch Töpfe ab. Als sie es leid wurde, immer langsamer arbeitete und aus dem Fenster sah, wurde sie leichte Beute, nicht nur für das Personal. Auch die anderen Mädchen begannen, auf ihr herumzuhacken. Bis eine von ihnen sie mit einem Messer bedrohte und zu Boden schubste. Da erwiderte Nete die Provokation, indem sie der anderen einen heißen Deckel ins Gesicht warf und so heftig gegen einen Topf trat, dass er verbeulte. Dieser Vorfall gab Anlass für ihr erstes Gespräch mit der Vorsteherin.
    Das Büro und die Vorsteherin bildeten eine Einheit. Alles war kalt und systematisch und geordnet. Regale mit Ordnern und Akten auf der einen Seite und Hängeschränke auf der anderen. Dort waren die Schicksale archiviert, in Reih und Glied, allzeit bereit zum Herausnehmen, Abwägen, Gewichten und Bespucken.
    »Du machst Schwierigkeiten in der Küche, heißt es«, sagte die Vorsteherin mit erhobenem Zeigefinger.
    »Dann stecken Sie mich doch in den Stall, da mache ich keine Schwierigkeiten«, antwortete Nete und folgte mit den Augen den Bewegungen des Zeigefingers. Rita sagte, die Finger und Hände der Vorsteherin seien ihr Fenster zur Welt. An denen könne man ihre Gedanken ablesen. Und Rita musste es wissen, so oft, wie sie schon zum Gespräch zitiert worden war.
    Kalte Augen musterten sie. »Eines musst du wissen, Nete. Hier draußen geht es nicht darum, euch Privilegien zu geben, die es euch leichter machen. Hier sollt ihr trotz eures schlechten Charakters und trotz eurer leeren Köpfe lernen, dass im Leben selbst das, was keinen Spaß macht, mit großem Gewinn durchlebt werden kann. Ihr seid hier, um zu lernen, euch wie Menschen zu betragen, und nicht wie Tiere. Verstanden?«
    Nete schüttelte still den Kopf, sie merkte es selbst kaum, aber natürlich sah es die Vorsteherin. Die Finger bewegten sich plötzlich nicht mehr.
    »Ich könnte mich dafür entscheiden, das als Aufmüpfigkeit zu verstehen, Nete. Aber im Augenblick entscheide ich mich dafür, dass du einfach nur beschränkt und einfältig bist.« Sie richtete sich auf. Ihr Oberkörper war plump. Nach der hatten sich garantiert nicht viele Männer umgeschaut.
    »Ich versetze dich jetzt in die Nähstube. Damit wechselst du zwar eher, als es bei uns Sitte ist, aber in der Küche will man dich nicht mehr haben.«
    »Jawohl«, sagte Nete und blickte zu Boden.
    Die Nähstube konnte unmöglich schlimmer sein als die Küche, glaubte sie. Aber da sollte sie sich täuschen.
    Die Arbeit an sich war in Ordnung, obwohl sie weder im Säumen von Laken noch im Klöppeln gut war. Schlimm war für sie

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