Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
gesichert«, flüsterte Carl zurück.
Was für ein kopfloses Unterfangen, dachte er. Warum in ein Haus einbrechen, in dem sich Assad mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht aufhielt? War er, Carl, inzwischen auch von weiblicher Intuition getrieben? Oder ging es mehr um die Lust, diesen abartigen Menschen eine Dosis seiner eigenen bitteren Medizin schmecken zu lassen?
»Und nun?«, flüsterte Rose.
»Ich würde mich gern mal oben im ersten Stock umschauen, ich hab so das Gefühl, als gäbe es da Aufschlussreiches zu entdecken. Vielleicht etwas, was uns im Hinblick auf die Gasflaschengeschichte bei mir zu Hause weiterbringt. Heute Vormittag erzählte Curt Wad, dass seine Frau dort oben im Sterben läge. Aber wenn das stimmt, hätte er dann jetzt das Haus verlassen? Wer lässt denn bitte seine sterbende Frau allein in einem dunklen Haus zurück? Ja wohl niemand, oder? Und dort oben befindet sich mit Sicherheit noch etwas anderes, das er vor der Welt verborgen halten will. Das sagt mir mein Bauchgefühl.«
Im Licht der Taschenlampe durchquerten sie das Esszimmer und den Hausflur, den ein geblümtes Rollo am Fenster neben der Haustür vor neugierigen Blicken von außen schützte. Carl zog an der Tür zur Arztpraxis. Die war nicht nur massiv, sondern garantiert auch mit Stahlplatten und diesen pfiffigen kleinen Dingern versehen, die sofort mit Getöse Alarm auslösten, sobald Unbefugte die Tür zu öffnen versuchten.
Carl nahm die Treppe nach oben in Augenschein. Abgerundetes Teakgeländer links und rechts, Eckschrank auf dem Treppenabsatz, grauer Läufer, der um eine Ecke führte. Mehrere Stufen auf einmal nehmend stieg er in den ersten Stock hinauf.
Dort war es nicht halb so präsentabel wie unten. Einige Einbauschränke und ein langer dunkler Flur. Die Zimmer an einem Ende wirkten, als hätten die Kinder des Hauses sie gerade eben erst verlassen. Sie waren ausgestattet mit billigen Schlafsofas mit großgeblümten Bezügen, und an den Dachschrägen hingen noch die Poster der Idole.
Am anderen Ende des Flurs entdeckte er unter der Tür einen schwachen Lichtschein. Er schaltete die Taschenlampe aus und griff nach Roses Arm.
»Vielleicht ist Wad dort drinnen, aber ich glaube es nicht«, flüsterte er so dicht an Roses Ohr, dass er es mit seinen Lippen berührte. »Dann wäre er doch aufgekreuzt, als wir die Scheibe eingedrückt haben. Na ja, man weiß nie. Vielleicht gehört er zu der Sorte, die drinnen mit der Schrotflinte wartet. Würde auch zu ihm passen. Bleib hinter mir und stell dich darauf ein, dich gleich hinzuwerfen.«
»Und wenn er da ist und unbewaffnet, wie willst du ihm erklären, warum wir zwei hier sind?«
»Wir hätten einen Notruf erhalten«, flüsterte er und hoffte, später nicht genötigt zu sein, diese Erklärung Marcus Jacobsen gegenüber zu wiederholen.
Jetzt schob er sich ganz dicht an die Tür mit dem Teakholzfurnier heran und hielt die Luft an. Seine Hand tastete nach der Pistole.
Eins, zwei, drei, zählte er innerlich, trat die Tür dann mit Wucht auf und ging sicherheitshalber gleich wieder hinter der Wand in Deckung.
»Curt Wad, uns hat ein Notruf von hier erreicht«, rief er. Dabei bemerkte er das Flackern des Lichtscheins.
Wohl wissend, wie gefährlich das möglicherweise war, schob er vorsichtig den Kopf hinter dem Türrahmen hervor, bis er ins Zimmer sehen konnte. Ausgestreckt auf der Bettdecke ruhte eine kleine Gestalt. Sie war bis zur Taille mit einem weißen Laken zugedeckt und auf ihrem Bauch lag ein verwelktes Blumenbukett. Auf dem Nachttisch stand eine brennende Kerze.
Rose trat in den Raum. Anschließend wurde es ganz still. Diese Wirkung hatte der Tod immer.
Einen Moment standen sie dort und betrachteten die Tote, dann seufzte Rose leise. »Carl, ich glaube, das ist ihr Brautstrauß.«
Carl schluckte einmal extra.
»Rose, lass uns zusehen, dass wir Land gewinnen. Es war total idiotisch von uns, herzukommen«, sagte Carl draußen im Garten vor der zertrümmerten Tür. Dann hob er den metallenen Türgriff auf, wischte ihn gründlich mit seinem Taschentuch ab und ließ ihn wieder fallen. »Ich hoffe, du hast dort drinnen nicht überall Fingerabdrücke hinterlassen.«
»Spinnst du, ich war die ganze Zeit viel zu sehr darauf konzentriert, die Tasche zu schwingen, falls du eins auf die Mütze kriegst.« Wurde Rose jetzt auch noch fürsorglich, oder was?
»Gib mir mal die Taschenlampe«, fuhr sie fort. »Ich hasse nichts mehr als hinten zu gehen und nichts zu
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