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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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Klingel an, die Vordertür öffnete und schloß sich und Smiley
hörte das doppelte Klirren, als - wie Ordnung und sauberes Arbeiten es
befahlen - zwei Milchflaschen auf den Dielentisch gestellt wurden.
    Gott sei
mir gnädig, dachte Smiley voll Entsetzen und starrte auf den alten
Coca-Cola-Kühlschrank neben sich, auf diesen Gedanken bin ich überhaupt nicht
gekommen: wenn er sie jetzt in die Box hätte zurückstellen wollen?
    Der
Lichtstreifen unter der Küchentür wurde plötzlich heller, als die Lampen im
Wohnzimmer angeschaltet wurden. Eine außergewöhnliche Stille senkte sich über
das Haus. An das Seil geklammert schob Smiley sich langsam über den eiskalten
Boden voran. Dann hörte er Stimmen. Zuerst waren sie undeutlich. Sie müssen
noch am anderen Ende des Zimmers sein, dachte er. Oder vielleicht fangen sie
immer leise an. Jetzt kam Poljakow näher: er stand am Barwagen und goß Drinks
ein.
    »Wie ist
unsere Tarngeschichte, falls wir gestört werden sollten?« fragte er in gutem
Englisch.
    Hübsche
Stimme, erinnerte sich Smiley, melodisch wie die Ihre. Ich habe die Bänder oft
zweimal abgespielt, nur um ihm zuzuhören. Connie, Sie sollten ihn jetzt hören.
    Vom
entfernten Zimmerende her beantwortete ein gedämpftes Murmeln jede Frage.
Smiley konnte nichts verstehen. »Wo sollen wir uns wieder sammeln?«
    »Was ist
der Ausweich-Treff ? Haben Sie irgend etwas bei sich, das Sie während unserer
Unterredung lieber mir übergeben möchten, da ich diplomatische Immunität
besitze?«
    Es muß ein
Katechismus sein, dachte Smiley, ein Teil von Karlas Schulungsroutine.
    »Ist
heruntergeschaltet? Würden Sie bitte nachsehen? Vielen Dank. Was möchten Sie
trinken?«
    »Scotch«,
sagte Haydon, »und einen verdammt großen.« Mit dem Gefühl äußerster Ungläubigkeit
lauschte Smiley der vertrauten Stimme, die nun genau jenes Telegramm vorlas,
das Smiley vor nur achtundvierzig Stunden ausschließlich zu Tarrs Händen
abgefaßt hatte.
    Dann
lehnte sich einen Augenblick lang ein Teil von Smileys Persönlichkeit in offener
Rebellion gegen den anderen auf. Die Woge zornigen Zweifels, die ihn in Lacons
Garten überschwemmt und seitdem ständig wie ein feindlicher Sog sein
Fortschreiten hatte hemmen wollen, schleuderte ihn jetzt auf die Klippen der
Verzweiflung und trieb ihn dann in die Meuterei: Ich weigere mich. Nichts ist
die Zerstörung eines anderen Menschen wert. Irgendwo muß der Weg von Schmerz
und Verrat sein Ende finden. Bis dahin gab es keine Zukunft: es gab nur ein
stetes Abgleiten in noch grauenhaftere Versionen der Gegenwart. Dieser Mann war
mein Freund und Anns Geliebter, Jims Freund und, soviel Smiley wußte, auch Jims
Geliebter; dem Bereich der Öffentlichkeit gehörte nur der Verrat, nicht der
Mann. Haydon hatte Verrat geübt. Als Geliebter, als Kollege, als Freund, als
Patriot; als Mitglied jener unschätzbaren Gemeinschaft, die Ann vage als den Set bezeichnete:
in jeder dieser Eigenschaften hatte Haydon nach außen hin ein einziges Ziel
verfolgt und insgeheim das Gegenteil davon erreicht. Smiley wußte sehr genau,
daß er nicht einmal jetzt den vollen Umfang dieses haarsträubenden Doppelspiels
begriff. Und doch meldete sich bereits etwas in ihm zu Haydons Verteidigung.
War Bill nicht gleichfalls verraten worden? Connies Klage hallte ihm in den
Ohren: »Die armen Kinder. Für das Empire erzogen, erzogen, um die Meere zu
beherrschen . . . Sie sind der letzte, George, Sie und Bill.« Mit schmerzender
Klarheit sah er einen ehrgeizigen Mann vor sich, der zu großen Dingen geboren
war, erzogen zum Herrschen, Teilen und Erobern, dessen Planen und Trachten,
genau wie es bei Percy der Fall war, dem Spiel mit der Weltkugel galt; für den
die Wirklichkeit eine kümmerliche Insel war mit kaum einer Stimme darauf, die
über das Wasser reichte. Daher empfand Smiley nicht nur Ekel; sondern, trotz
allem, was dieser Augenblick für ihn bedeutete, regte sich Empörung gegen die
Institutionen, die er von Amts wegen schützen sollte: »Der Gesellschaftsvertrag
hat seine zwei Seiten«, hatte Lacon gesagt. Die lässige Verlogenheit des
Ministers, Lacons schmallippige moralische Selbstgefälligkeit, die brutale
Gier Percy Allelines: solche Männer machten jeden Vertrag wertlos: warum sollte
irgendwer ihnen die Treue halten?
    Er wußte
es natürlich. Er hatte die ganze Zeit gewußt, daß es Bill war. Genau wie
Control es gewußt hatte, und Lacon, damals in Mendels Haus. Genau wie Connie
und Jim es gewußt hatten, und Alleline und

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