Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
Vom Netzwerk:
einem
General ohne Armee. Lacon bezog sich frostig auf den »verzögerten Nachschub«,
und schlug seinem Minister vor, er solle »die Situation mit der Admiralität
abklären«. Von Control, soviel aus den Akten zu ersehen war, nichts. Vielleicht
war er jetzt bettlägerig und betete, es möge vorübergehen. In der Zwischenzeit
wies ein Moskau-Observant des Schatzamts säuerlich darauf hin, daß Whitehall in
den letzten Jahren eine Menge ähnlicher Fälle erlebt habe: ein vielverheißender
erster Bericht, dann Schweigen oder schlimmer noch: ein Skandal.
    Er hatte
unrecht. In der siebenten Woche verkündete Alleline die Veröffentlichung von
drei neuen Witchcraft-Reports, alle am gleichen Tag. Alle waren
in Form geheimer sowjetischer ministerialinterner Korrespondenz, obwohl die
Themen weit auseinandergingen.
    Witchcraft Nr. 2, wie Lacon den Bericht nannte, beschrieb Spannungen innerhalb des
Comecon und sprach von der zersetzenden Wirkung von Handelsabkommen mit dem
Westen auf die schwächeren Mitglieder. Nach Circus-Normen war Nr. 2 ein
klassischer Report aus Roy Blands Domäne, denn er behandelte das gleiche
Zielobjekt, das vom Netz »Aggravate« seit Jahren von Ungarn aus vergeblich
angepeilt wurde. »Ausgezeichneter tour d'horizon«, schrieb
ein Konsument des Auswärtigen Amts, »von guten Nebeninformationen gestützt.«
    Witcbcraft Nr. 3 beschäftigte sich mit dem Revisionismus in Ungarn und mit Kadars
erneuten Säuberungsaktionen im politischen und akademischen Leben: wenn man
müßigem Geschwätz ein für allemal ein Ende machen wollte, schrieb der Autor des
Papiers, wobei er ein vor langer Zeit geprägtes Chruschtschow-
    Wort
übernahm, müsse man bloß noch ein paar Intellektuelle abknallen. Auch dies war
Roy Blands Domäne. »Eine heilsame Mahnung«, schrieb der gleiche Kommentator aus
dem Auswärtigen Amt, »an alle jene, die sich in der Illusion wiegen, daß die
Sowjetunion mit ihren Satelliten sanft umgehe.« Die beiden letzten Berichte
waren im wesentlichen Background-Information, aber Witchcraft Nr. 4, sechzig Seiten lang, wurde von den Konsumenten für einzigartig
gehalten. Es handelte sich um ein umfangreiches technisches Gutachten des sowjetischen
Auslandsnachrichtendiensts über die Vor- und Nachteile des Verhandelns mit
einem geschwächten amerikanischen Präsidenten. Die Schlußfolgerung lautete,
per saldo: wenn die Sowjetunion dem Präsidenten einen Köder für seine
Wählerschaft lieferte, so könnte sie damit nützliche Zugeständnisse bei bevorstehenden
Diskussionen über nukleare Mehrfach-Sprengköpfe einhandeln. Hingegen wurde
ernstlich in Frage gestellt, ob es wünschenswert sei, die Vereinigten Staaten
zu sehr auf die Verliererseite zu drängen, da dies das Pentagon zu einem Vergeltungs-
oder Präventivschlag verleiten könnte. Der Bericht stammte mitten aus Bill
Haydons Domäne. Doch wie Haydon selber in einer herzbewegenden Notiz an
Alleline schrieb - die prompt ohne Haydons Wissen fotokopiert an den Minister
geschickt und in die Akten des Kabinettsbüros aufgenommen wurde -, in den
fünfundzwanzig Jahren, die er mit der Bearbeitung des sowjetischen
Nuklearziels verbracht habe, sei ihm nichts von annähernd solcher Qualität
untergekommen. »Und auch nicht unseren amerikanischen Waffenbrüdern«, schloß
er, »wenn mich nicht alles täuscht. Ich weiß, es ist dafür noch zu früh, aber
ich möchte doch meinen, wer immer dieses Material nach Washington schaffte,
könnte allerhand dafür einhandeln. Ja, wenn Merlin seine Qualität hält, wage
ich die Vorhersage, daß wir uns dafür alles kaufen können, was die Amerikaner
in ihrem Laden haben.«
    Percy
Alleline bekam seinen Leseraum; und George Smiley braute sich Kaffee auf dem
vorsintflutlichen Kocher neben dem Waschtisch. Mittendrin lief die Gasuhr ab,
und wütend rief er nach Norman und bestellte für fünf Pfund Shillingmünzen.
     
    Bill
Haydon und Roy Bland machen Karriere, jeder auf seine Art
     
    Mit
steigendem Interesse setzte Smiley seine Reise durch Lacons magere Berichte über
jenes erste Treffen der Gegenspieler bis zum heutigen Tag fort. Seinerzeit
hatte sich im Circus der Argwohn in einem Maß ausgebreitet, daß das Thema
sogar zwischen Smiley und Control tabu wurde. Alleline brachte die Berichte
herauf und wartete im Vorzimmer, während die Mütter sie zu Control
hineinbrachten, der sie unverzüglich abzeichnete, um zu demonstrieren, daß er
sie gar nicht erst las. Alleline nahm die Akte wieder an sich, steckte den Kopf
zu

Weitere Kostenlose Bücher