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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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ein Aufgebot blecherner
Klänge entlockend: oder regungslos aus Türnischen beobachtend, wie vorsichtig
sich der bizarr aufgeputzte fremde Teufel seinen Weg durch dieses China
bahnte. Craw liebte das alles, aber seine zärtlichste Liebe galt seinen kleinen Schiffen, wie die Chinesen ihre geheimen
Zwischenträger nennen, und von diesen wiederum war Miss Phoebe Wayfarer, zu
der er nun unterwegs war, ein klassisches, wenn auch bescheidenes Exemplar.
    Er atmete
tief ein, genoß die vertrauten Wonnen. Der Ferne Osten hatte ihn nie
enttäuscht: »Wir kolonisieren sie, Ehrwürdens, wir korrumpieren sie, wie beuten
sie aus, wir bombardieren sie, plündern ihre Städte, verachten ihre Kultur und
verwirren sie mit der unendlichen Vielfalt unserer religiösen Sekten. Wir sind
scheußlich, nicht nur für ihre Augen, Monsignores, sondern auch für ihre Nasen
- der Gestank des Rundauges ist ihnen ein Greuel, und wir sind zu dickfellig,
um es zu bemerken. Und doch, wenn wir unser Schlimmstes getan haben, und mehr
als unser Schlimmstes, geliebte Söhne, so haben wir das asiatische Lächeln kaum
ein kleines bißchen angekratzt.«
    Andere
Rundaugen wären vielleicht nicht so ohne weiteres allein hierhergekommen. Die
Peak-Mafia hätte nicht einmal gewußt, daß es diese Gegend gab. Die britischen
Ehefrauen, die in ihren regierungseigenen Gettos in Happy Valley verschanzt
lebten, hätten hier all das gefunden, was ihnen ihre Stationierung so verhaßt
machte. Es war kein schlechter Stadtteil, aber er war auch nicht europäisch:
das Europa der Central und Peddar Street, der elektrischen Türen, die den
Seufzer mitliefern, wenn sie den Zugang zur klimatisierten Zone freigeben, war
eine halbe Meile entfernt. Andere Rundaugen hätten in ihrer Ängstlichkeit vielleicht
unwillkürlich deutliche Blicke um sich geworfen, und das war gefährlich. In
Schanghai hatte Craw mehr als einen Mann gekannt, der an einem zufälligen
falschen Blick starb. Während Craws Blick allezeit freundlich war. Er gab sich
gefällig, trat bescheiden auf, und wenn er halt machte, um etwas einzukaufen,
entbot er dem Händler respektvolle Grüße in schlechtem, derbem Kantonesisch.
Und er bezahlte, ohne über den Aufschlag zu nörgeln, wie es seiner inferioren
Rasse zukam. Er kaufte wie jeden Sonntag Orchideen und Lammleber, verteilte
seine Käufergunst gerecht unter den rivalisierenden Händlern und verfiel - wenn
ihm das Kantonesische ausging - in sein verschnörkeltes Privatenglisch.
    Er drückte
auf die Klingel. Phoebe hatte, wie Craw auch, eine Sprechanlage. Laut Anweisung
des Head Office gehörte das zur Standardausrüstung. Sie hatte einen Strauß
glückbringendes Heidekraut in ihren Briefkasten gestopft, als Signal, daß die
Luft rein war.
    »Hei«,
quäkte eine Mädchenstimme aus dem Lautsprecher. Es konnte Amerikanisch oder
Kantonesisch sein, dann folgte ein fragendes »Ja?«
    »Larry
nennt mich Pete«, sagte Craw. »Kommen Sie rauf, Larry ist gerade hier.« Das
Treppenhaus war stockdunkel und stank nach Erbrochenem, und Craws Absätze
klapperten auf den Steinstufen wie auf Blech. Er drückte auf den Knopf der
Treppenhausbeleuchtung, aber es blieb dunkel, und er mußte sich drei Stockwerke
hinauftasten. Es waren Bestrebungen im Gang gewesen, sie besser unterzubringen,
aber mit Thesingers Verschwinden waren sie gestorben, und jetzt gab es keine
Hoffnung mehr, und, in gewisser Hinsicht, auch keine Phoebe.
    »Bill«,
flüsterte sie, als sie die Tür hinter ihm schloß, und küßte ihn auf beide
fleckige Wangen, wie hübsche Mädchen einen netten Onkel küssen mögen nur daß
Phoebe nicht hübsch war. Craw gab ihr die Orchideen. Sein Benehmen war
liebenswürdig und besorgt.
    »Meine
Liebe«, sagte er. »Meine Liebe.«
    Sie
zitterte. Das Apartment bestand aus einem Wohnschlafzimmer mit Kocher und
Ausguß, dazu einem Waschraum mit Dusche. Das war alles. Er ging an ihr vorbei
zum Ausguß, wickelte die Leber aus und gab sie der Katze.
    »Oh, Sie
verwöhnen sie, Bill«, sagte Phoebe und lächelte die Blumen an. Er hatte einen
braunen Umschlag auf das Bett gelegt, aber keiner von beiden erwähnte ihn.
    »Wie
geht's William?«, fragte sie
und flirtete mit dem Klang seines Namens.
    Craw hatte
Hut und Stock an die Tür gehängt und goß jetzt Whisky ein: pur für Phoebe, mit
Soda für ihn. »Wie geht's Pheeb? Das ist viel wichtiger. Wie ging's hier
draußen, die ganze kalte Woche lang? He, Pheeb?« Sie hatte das Bett zerwühlt
und ein frivoles Nachthemd auf den Boden

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