Carre, John le
flog auch er im Laos-Krieg für die
Vettern, Mr. Smiley. Die beiden waren Kursgenossen an Langleys geheimer
Fliegerschule in Oklahoma. Als Laos vorbei war, ließen sie ihn fallen und
wissen seither nichts mehr von ihm. Bei Rauschgift heißt es, er habe Opium
transportiert, aber das heißt es von allen Piloten der Vettern.«
»Ich glaube, Sie sollten das lesen«, sagte Guillam und wies
entschlossen auf die Meldung.
»Marshall muß Westerbys nächster Schritt sein. Wir müssen den Druck
aufrechterhalten«, sagte Smiley.
Endlich nahm Smiley das Telegrammformular zur Hand und hielt es prüfend
nach links, wo das Licht am hellsten' war. Er las mit hochgezogenen Brauen und
gesenkten Lidern. Wie immer las er zweimal. Sein Ausdruck veränderte sich
nicht, aber die Nächstsitzenden sagten, aus seinem Gesicht sei alle Bewegung
gewichen.
»Vielen Dank, Peter«, sagte er ruhig und legte das Blatt nieder. »Und
vielen Dank Ihnen allen. Connie und Doc, würden Sie vielleicht noch
hierbleiben? Allen übrigen wünsche ich eine lange und gute Nacht.«
Das junge Volk quittierte diesen frommen Wunsch mit fröhlichem Gelächter,
denn es war bereits weit über Mitternacht.
Das Mädchen von droben schlief wie eine nette braune Puppe an eines von
Jerrys langen Beinen geschmiegt, drall und tadellos im orangefarbenen
Nachtlicht des regentriefenden Hongkong-Himmels. Sie schnarchte wie ein
Sägewerk, und Jerry starrte durchs Fenster und dachte an Lizzie Worthington. Er
dachte an die beiden Krallenspuren an ihrem Kinn und fragte sich aufs neue, wer
sie ihr beigebracht haben mochte. Er dachte an Tiu, den er sich als ihren
Kerkermeister vorstellte, und er sagte das Wort »Pferdeschreiber« vor sich hin,
bis es ihn richtig wütend machte. Er fragte sich, wieviel Warten ihm noch
bevorstehe und ob er danach bei ihr eine Chance habe, was alles war, was er
verlangte: eine Chance. Das Mädchen bewegte sich, aber nur, um sich zu kratzen.
Von nebenan hörte Jerry ein rituelles Klicken, als die übliche Mahjong-Runde
die Steine wusch, ehe sie verteilt wurden. Das Mädchen war zunächst nicht
übermäßig begeistert auf Jerrys Annäherungsversuche eingegangen - ein Schwall
leidenschaftlicher Billetts, die zu allen Stunden der vorhergegangenen Tage in
ihren Briefkasten fielen -, aber sie mußte unbedingt ihre Gasrechnung bezahlen.
Offiziell war sie Eigentum eines Geschäftsmannes, aber in letzter Zeit waren
seine Besuche seltener geworden und in allerletzter hatten sie völlig
aufgehört, mit dem Ergebnis, daß sie sich weder die Wahrsagerin leisten konnte
noch Mahjong, noch die eleganten Kleider, für die sie sich entschieden hatte,
sobald ihr der Durchbruch in die Kung-Fu-Filme gelingen würde. Also erhörte sie
ihn, aber auf streng finanzieller Basis. Sie fürchtete vor allem, ihr Verkehr
mit dem häßlichen kweilo könne bekanntwerden, und deshalb hatte sie ihre komplette Ausgehuniform
angelegt, ehe sie das eine Stockwerk herunterkam; einen braunen Regenmantel mit
amerikanischen Messingspangen an den Schulterstücken, gelbe Plastikstiefel und
einen Plastikschirm mit roten Rosen. Jetzt lag diese ganze Ausrüstung auf dem
Parkettboden herum wie Kriegsgerät nach einer Schlacht und sie schlief auch in
der gleichen heldischen Erschöpfung, so daß ihre einzige Reaktion auf das
Klingeln des Telefons in einem schläfrigen kantonesischen Fluch bestand.
Als Jerry den Hörer abnahm, tat er es in der idiotischen Hoffnung, es
könne Lizzie sein, aber es war nicht Lizzie. »Bewegen Sie Ihren Hintern
schleunigst hierher, und Stubbsi wird Sie lieben«, versprach Luke. »Beeilung.
Ich tue Ihnen den größten Gefallen unserer Karriere.«
»Wo ist hierher, wenn ich fragen darf?« fragte Jerry. »Vor Ihrem Haus,
Sie Affe.«
Er rollte das Mädchen von sich weg, aber sie wachte noch immer nicht
auf.
Die Straßen glänzten vom unerwarteten Regen, und der Mond hatte einen
dicken Hof. Luke fuhr, als säßen sie in einem Jeep, im höchsten Gang. An den
Straßenecken dröhnte die Kupplung wie Hammerschläge. Whiskydünste füllten den
Wagen. »Was haben Sie denn, um Himmels willen?« fragte Jerry. »Was ist los?«
»Großartiges Stück Fleisch. Schnauze.«
»Ich will kein Fleisch. Ich bin bedient.«
»Das werden Sie schon mögen, Mann, und ob Sie das mögen werden.«
Sie hielten auf den Hafentunnel zu. Ein Schwarm Radfahrer ohne Licht
kurvte aus einer Querstraße heran, und Luke mußte auf den Mittelstreifen, um
ihnen auszuweichen. »Halten Sie Ausschau nach einem
Weitere Kostenlose Bücher