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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Nichts, was
er als Verrat empfinden müßte. Und nichts Doktrinäres. Rußland war Chinas
großer älterer Bruder. Sie brauchten Nelson nur zu sagen, er sei als einer der
Wächter über die wahren Werte ausersehen. Das betrachte ich nicht als
besonderes Kunststück.« Draußen bimmelte das grüne Telefon immer weiter.
Bemerkenswert, Martello ist sonst nicht so ausdauernd. Nur Guillam und Smiley
dürfen das Gespräch annehmen. Aber Smiley hat nichts gehört, und Guillam will
verdammt sein, wenn er sich vom Fleck rührt, während di Salis über die Gründe
extemporiert, die Nelson bewogen haben könnten, Karlas Maulwurf zu werden. »Als
die Kulturrevolution ausbrach, glaubten viele Leute in Nelsons Rang, Mao sei
verrückt geworden«, erläutert di Salis, noch immer nur zögernd Theorien von
sich gebend. »Sogar ein paar seiner eigenen Generale dachten so. Die
Demütigungen, die Nelson erlitten hatte, machten ihn nach außen hin konform,
aber innerlich blieb vielleicht Bitterkeit zurück - wer weiß -, vielleicht
sogar Rachegelüst.«
    »Die Alimentenzahlungen an Drake begannen zu einer Zeit, als Nelsons
Rehabilitierung kaum beendet war«, wirft Smiley milde ein. »Wie lauten hierüber
die Vermutungen, Doc?«
    Dies alles ist einfach zu viel für Connie, und wiederum fließt sie über.
    »O George, wie können Sie so naiv sein. Sie können sich das doch denken, Lieber, natürlich können Sie's! Diese armen
Chinesen können es sich nicht leisten, einen Spitzentechnologen sein halbes
Leben lang auf Eis zu legen und ihn nicht zu nutzen! Karla sah, wohin die
Entwicklung ging, wie, Doc? Er sah, wohin der Wind sich drehte und ging mit. Er
hielt seinen armen kleinen Nelson an der Strippe, und sobald er aus der Wildnis
zurückkam, schickte er ihm seine Boten: >Wir sind's, weißt du noch? Deine
Freunde! Wir lassen dich nicht fallen! Wir spucken dich nicht auf der Straße an! Und
jetzt wieder an unsere Arbeit !< Das würden Sie ganz genau so anstellen, und
Sie wissen es!«
    »Und das Geld?« fragt Smiley. »Die halbe Million?«
    »Zuckerbrot und Peitsche! Drohende Erpressung oder enorme Belohnungen.
Nelson ist von beiden Seiten festgenagelt.« Aber trotz Connies Ausbruch hat di
Salis das letzte Wort: »Er ist Chinese. Er ist Pragmatiker. Er ist Drakes
Bruder. Er kann aus China nicht heraus - «
    »Noch nicht«, sagt Smiley mit sanfter Stimme und blickt wieder in die
Akte.
    » - und er kennt seinen Marktwert für den russischen Geheimdienst sehr
genau. »Du kannst Politik nicht essen, du kannst nicht mit ihr ins Bett
gehen< wie Drake immer sagte, also kannst du wenigstens Geld mit ihr
verdienen - «
    »Für den Tag, an dem du China verlassen und es ausgeben kannst«,
ergänzt Smiley, schließt - als Guillam auf Zehenspitzen aus dem Büro geht -,
die Akten, und nimmt sein Notizpapier wieder vor. »Drake versuchte schon
einmal, ihn herauszuholen, es mißlang, also nahm Nelson das russische Geld an,
bis . . . bis? Vielleicht bis Drake einmal mehr Glück hat.« Das beharrliche
Rasseln des Telefons im Hintergrund hat endlich aufgehört.
    »Nelson ist Karlas Maulwurf«, bemerkt Smiley schließlich, wiederum mehr
zu sich selber. »Er sitzt auf einem unbezahlbaren Topf voll chinesischen
Geheimmaterials. Das allein würde uns schon reichen. Er handelt auf Karlas
Befehle. Die Befehle selbst sind für uns von unschätzbarem Wert. Sie würden uns
genau zeigen, wieviel die Russen über ihren chinesischen Feind wissen und
sogar, was sie gegen ihn planen. Wir könnten nach Herzenslust rückpeilen. Ja,
Peter?«
    Eine tragische Meldung schlägt immer wie ein Blitz aus heiterem Himmel
ein. Eben noch stand ein Ideengebäude; im nächsten Moment ist es eingestürzt,
und für die Betroffenen hat die Welt sich unwiderruflich verändert. Guillam
hatte dennoch, als Polster sozusagen, ein Amtsformular des Circus und das
geschriebene Wort verwendet. Er hatte seine Botschaft für Smiley auf ein
Telegrammformular geschrieben in der Hoffnung, dessen Anblick werde ihn
schonend vorbereiten. Er ging ruhig zum Schreibtisch, das Formular in der Hand,
legte es auf die Glasplatte und wartete. Ȇbrigens, Charlie Marshall, der andere
Pilot«, wendete sich Smiley, der Unterbrechung nicht achtend, an die
Versammlung. »Haben die Vettern ihn schon aufgestöbert, Molly?«
    »Seine Geschichte ist ähnlich der Ricardos«, erwiderte Molly Meakin und
blickte Guillam fragend an. Er stand noch immer neben Smiley und sah plötzlich
grau und ältlich und krank aus. »Wie Ricardo

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