Carte Blanche - Ein Bond-Roman
interessant – für die heutige Zeit jedenfalls: altmodischer Mikrofilm, wie ihn die Spione im Kalten Krieg benutzt hatten. Die Kamera hatte eine Blende mit fester Brennweite. Um ein Foto zu schießen, musste Bond auf den Boden des Inhalators drücken und ihn dann drehen, um den Film weiterzutransportieren, der für dreißig Bilder reichte. Auch im Digitalzeitalter erwies die verstaubte Vergangenheit sich bisweilen als vorteilhaft.
Bond hielt nach einem Wegweiser zur Forschungs- und Entwicklungsabteilung Ausschau, in der sich laut Stephan Dlamini zumindest einige Informationen über Gehenna finden ließen, aber es gab keinen. Er wartete fünf Minuten, dann tauchte Severan Hydt auf, zunächst nur als Silhouette, aber unverkennbar: die hochgewachsene Statur, der massige Kopf mit dem lockigen Haar und dem Vollbart, der Maßanzug. Er ragte bedrohlich im Durchgang auf. »Theron.« Seine schwarzen Augen bohrten sich in Bonds Gesicht.
Sie gaben einander die Hand, und Bond bemühte sich, das groteske Gefühl zu ignorieren, als Hydts lange Fingernägel über seine Haut strichen.
»Kommen Sie mit«, sagte Hydt und führte ihn in das Bürogebäude, das längst nicht so karg war, wie das Äußere vermuten ließ. Die Einrichtung war sogar sehr hübsch, mit teurem Mobiliar, Kunstgegenständen, Antiquitäten und bequemen Arbeitsplätzen für das Personal. Es sah hier aus wie in einer typischen mittelgroßen Firma. Die Lobby war mit dem obligatorischen Sofa und Sesseln ausgestattet; auf einem Tisch lagen Branchenzeitschriften und eine Kapstadter Tageszeitung. An den Wänden hingen Bilder von Wäldern, wogenden Getreidefeldern und Blumen, Bächen und Ozeanen.
Und überall dieses unheimliche Logo – das Blatt, das wie ein Messer aussah.
Auf dem Weg durch die Flure suchte Bond weiterhin nach der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Im hinteren Teil des Gebäudes entdeckte er schließlich ein entsprechendes Hinweisschild und prägte sich den Ort ein.
Doch Hydt wandte sich in die entgegengesetzte Richtung. »Kommen Sie. Sie kriegen die große Führung.«
Jemand reichte Bond einen dunkelgrünen Schutzhelm. Hydt setzte ebenfalls einen auf. Sie gingen zu einer rückwärtigen Tür, wo es zu Bonds Überraschung einen zweiten Sicherheitsbereich gab. Kontrolliert wurde seltsamerweise jeder, der das Gebäude, und nicht etwa das Gelände, betreten wollte. Hydt und er traten hinaus auf eine Veranda, von der aus man zahllose flache Bauten sehen konnte. Lastwagen und Gabelstapler fuhren hinein und hinaus wie emsige Bienen in ihrem Stock. Überall liefen Arbeiter mit Schutzhelmen und Dienstkleidung umher.
Die Schuppen, in ordentlichen Reihen wie in einer Kaserne, erinnerten Bond schon wieder an ein Gefängnis oder Konzentrationslager.
Arbeit macht frei …
»Hier entlang«, rief Hydt und ging voran durch eine Landschaft voller Bagger und Bulldozer, Container, Ölfässer, Paletten mit Papier- und Kartonballen. Ein tiefes Rumpeln hing in der Luft, und der Boden schien zu beben, als wären riesige unterirdische Brennöfen oder Maschinen in Betrieb, ein Kontrapunkt zu den spitzen Schreien der Möwen, die hinabstießen, um etwas im Gefolge der Mülltransporter aufzupicken, die vierhundert Meter östlich durch ein Tor auf das Gelände rollten. »Ich gebe Ihnen mal eine kurze Einführung in das Geschäft«, sagte er.
Bond nickte. »Gern.«
»Es gibt vier Möglichkeiten, Müll loszuwerden. Man kann ihn irgendwo abladen – heutzutage meistens auf Halden oder Deponien, aber der Ozean ist immer noch beliebt. Wussten Sie, dass der Pazifik viermal mehr Plastik als Zooplankton enthält? Die größte Müllhalde der Welt ist der Great Pacific Garbage Patch, der zwischen Japan und Nordamerika zirkuliert. Er ist mindestens doppelt so groß wie Texas und könnte sogar die Ausmaße der gesamten Vereinigten Staaten besitzen. Niemand weiß es genau. Aber eines ist sicher: Er wird immer größer.
Die zweite Möglichkeit ist die Verbrennung; sie ist sehr teuer und kann gefährliche Asche produzieren. Drittens: Man kann den Müll recyceln, das ist Green Ways Spezialgebiet. Und viertens gibt es die Minimierung, was bedeutet, dass man dafür sorgt, dass von vornherein weniger Abfall anfällt. Kennen Sie diese Wasserflaschen aus Plastik?«
»Natürlich.«
»Die sind heutzutage viel dünner als früher.«
Bond glaubte ihm.
»Man nennt das ›Leichtgewichten‹. Lässt sich viel einfacher pressen. Wissen Sie, meistens stellen gar nicht die eigentlichen
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