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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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die Wohnungsklingel noch das Telefon.
     
    Als sie gegen Mittag aufwachte, belagerten Kopfschmerzen wie dichter Nebel ihr Hirn. Sie quälte sich ins Bad, versuchte sich den pelzigen Geschmack von den Zähnen zu bürsten und schlüpfte dann in ihren Jogginganzug und in die Laufschuhe. Den blinkenden Anrufbeantworter im Flur ignorierte sie. Sie mußte hier raus. Einen klaren Kopf bekommen. Und dann – handeln.
    Nach zwei Stunden hatte sie das Gefühl, jeden Zentimeter sämtlicher Fußwege im Grüneburgpark zu kennen. Aber das Laufen hatte ihr den Kopf frei gemacht. David trug eine Geschichte auf der Haut, die sie nicht kannte. Er würde sie ihr erzählen müssen. Vielleicht gab es für alles eine simple Erklärung. Wenn nicht – Karen zuckte mit den Schultern. Nun gut, dann würde man weitersehen.
    Sie lief die Treppe zu ihrer Wohnung hoch, duschte, zog sich an, griff sich ihre Autoschlüssel, registrierte flüchtig die hektisch blinkende Anzeige auf ihrem Anrufbeantworter und fuhr zum »Trapez«.
    David war nicht da. Dani Ebinger saß in ihrem Büro, rauchte hastig und wußte auch nicht, wo David steckte. Normalerweise war er um diese Zeit schon im »Trapez«, um sich auf die Abendvorstellung vorzubereiten.
    »Er hat gestern abend wohl gehofft, du würdest auf ihn warten.« Dani fuhr sich durch die kurzen dunklen Haare, legte die Stirn in Falten und drückte nervös ihre Gauloise aus.
    »Es – ging nicht«, sagte Karen gequält. Dani hatte Karen noch nie so zerknirscht gesehen. Was um Himmels willen hatte sich zwischen den beiden abgespielt? »Sie ist mein Verhängnis«, hatte David gestern nacht zu Dani gesagt – und Karen gemeint. Gelacht dabei – als ob er lieber geweint hätte. Und war dann gegangen.
    »Er hat sich vor irgend etwas gefürchtet«, sagte Dani vorsichtig. Karen wurde es heiß und kalt. Ihr Verdacht war also begründet.
    Dani fingerte eine Gauloise aus dem zerknautschten blauen Päckchen. »Er war – aufgeregt. Aufgelöst. Nicht so ernst und konzentriert wie sonst.« Dani machte sich offenkundig Sorgen.
    Karen auch. Sie verfluchte ihr Zögern. Sie hätte früher handeln müssen. Viel früher.
    »Weiß er, wer ich bin?«
    Dani sah sie erstaunt an. »Na klar – ich habe es ihm gesagt!«
    »Und?« fragte Karen nervös.
    »Nichts und!« David hatte ausgesehen, als ob er es ganz normal fand, mit einer Frankfurter Staatsanwältin zu flirten.
    »Weißt du etwas über diese Tätowierung auf seinem Arm?« fragte sie Dani, so ruhig sie konnte.
    »Gar nichts«, sagte Dani und schüttelte den Kopf. »Er ist allen Fragen danach ausgewichen. Er ist eigentlich allen persönlichen Fragen ausgewichen. Ich weiß nichts über ihn – außer, daß er ein großartiger Artist ist.«
    Karen konnte das bestätigen.
    »Und ein verdammt einsamer Mann, Karen.« Dani machte eine Pause. »Es muß da irgend etwas gegeben haben, irgend etwas Schreckliches, etwas, das ihm weh tat. Aber er will nicht reden. Er ist kein Jammertyp.«
    Karen merkte, daß sie sich noch immer nach ihm sehnte. Zu spät, dachte sie traurig.
    »Er tut mir leid, Karen.«
    Und mir erst, hätte sie am liebsten geantwortet. Mir zerreißt es das Herz, daß sich Mißtrauen zwischen uns geschoben hat. Wie ein häßlicher schwarzer Fliegenschwarm. Der sich nicht verflüchtigen wird, bevor nicht die Frage beantwortet ist, wie das gleiche Mal, das er auf dem Arm trägt, auf den Hintern eines Mordopfers gelangen konnte.
11
    Rena saß aufrecht im Bett, als Anne am Sonntag morgen in ihr Zimmer kam, um ihr das Frühstück zu bringen. Anne fiel auf, wie kindlich sie plötzlich wirkte mit ihren verstrubbelten Haaren und den verschlafenen Augen.
    Als Rena ihre Mutter sah, verschloß sich ihr Gesicht in Sekundenschnelle. Vorbei, dachte Anne resigniert. So bockig hatte Rena schon als Kind ausgesehen, wenn sie etwas partout nicht wollte. Anne sah ihre Aussichten auf ein vernünftiges Gespräch mit ihrer Tochter dahinschwinden. Dabei mußte sie wissen, was zwischen Alexander und Rena vorgefallen war. Möglichst, bevor die Polizei es erfuhr.
    »Wie geht’s?« fragte sie mit verhaltener Munterkeit.
    »Es geht.«
    »Gut geschlafen?«
    »Na ja.«
    »Frühstück?«
    »Nö«, sagte Rena schlechtgelaunt. »Nur was zu trinken.«
    Sie goß ihr einen Becher Tee ein und rückte sich Renas Schreibtischstuhl neben das Bett. Rena guckte betont aus dem Fenster, während sie den Tee schlürfte. Die Minuten vergingen. Geduld gehörte nicht zu Annes hervorstechenden

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